176 Drittes Kapitel.
bei jeder andern Deutung zu der unzulässigen Annahme führen
würde, dass die Reichsverfassung zwar für Verfassungsände-
rungen schlechthin, sowie für Verfassungsänderungen, welche
als Kompetenzerweiterungen besonderer Art bestimmte Rechte
einzelner Bungesstaaten berühren, Vorsehung trifft, dagegen
für solche Verfassungsänderungen, welche allgemein Kompe-
tenzerweiterungen ohne Beziehung aufSonderrechte enthalten,
Jeder Bestimmung entbehrt.
Hiernach ist es unzweifeHlaft und kaum noch bestritten 7°,
0 Uebereinstimmend für die Kompetenz-Kompetenz des Reiches:
Auerbach, das neue deutsche Reich pag. 88.
Hauser, die Verfassung des deutschen Reiches pag. 33. 34.
von Rönne, Verfassungrecht des deutschen Reiches pag. 51 ff.
von Held, die Verfassung des deutschen Reiches pag. 8. 17. 152 ff.
Seydel, Commentar pag. 256 ff.
Thudichum, Jahrbuch I, pag. 47.
In der zweiten sächsischen Kammer erklärte sich in der Session
1871,72 der Bericht der zweiten Deputation (Abtheilung A) über Abtheilung
H des Ausgabebudgets, das Departement des Aeussern betreffend, fürdie Kom-
petenz-Kompetenz des Reiches, abweichend von ihrem frühern Votum gegen die
Kompetenz-Kompetenz des norddeutschen Bundes. cf. Note56. Der Kammer-
präsident Dr. Schaffrath hielt dagegen die beschränkende Auffassung des
a. 78 der norddeutschen Verfassung auch noch für die Reichsverfassung zu-
treffend. Demnächst wurde der von der Deputation gestellte Antrag mit einer
Modifikation des Dr. Schaffrath von der Kammer dahin angenommen: ‚‚Die
Kammer wolle die Erwartung aussprechen, dass die kgl. Staatsregierung durch
die sächsischen Bundeskommissare zu der Ausdehnung der Reichskompetenz
auf die Erlassung eines allgemeinen Gesetzbuchs über das Privatrecht im
Bundesrathe zustimmend sich erklären werde‘‘. Sitzung vom 23. Febr. 1872.
Mittheilungen über die Verhandlungen des Landtages. II. Kammer. pag. 1121
f. In der ersten Kammer wurde der Antrag am 15. März 1872 jedoch‘
ohne Eingehn auf die Kompetenzfrage abgelehnt. ib. I. Kammer pag 466 ff.
— In der würtembergischen zweiten Kammer wurde am 30. Ja-
nuar 1873 der Antrag Hölder angenommen, die Erwartung auszusprechen,
„die Regierung werde bei den Verhandlungen im Bundesrathe 1. für die ver-
fassungsmässige Zuständigkeit des Reiches zur Gesetzgebung über das Privat-
recht, unter Beseitigung der bisherigen Beschränkung auf das Obligationen-
Handels- und Wechselrecht, und für die Herstellung eines allgemeinen deut-
schen Civilgesetzbuches unter Beachtung der auf einzelnen Gebieten wün-
schenswerthen Freiheit der eigenartigen Rechtsbildung thätig sein, 2. für die