196 Drittes Kapitel.
deutschen Reichstage verworfen, ohne dass die Verhandlungen
darüber zu irgend einem positiven Schluss berechtigten 88.
Diese Vorverhandlungen über die aufgeworfene Frage
erhärten, dass wir für die Lösung derselben lediglich auf die
wissenschaftlichen Ergebnisse der Interpretation des Alinea 2
angewiesen sind. Dieselbe ist nicht berechtigt, dem Wir-
kungskreise des Alinea irgend einen andern Umfang beizu-
legen, als die festgestellten begrifflichen Merkmale befassen.
Denn ausschliesslich und allein über diese Begriffsbestimmung
hat eine Einigung der verbündeten Staatsregierungen stattge-
funden und nur sie ist den gesetzgebenden Körperschaften zur
Genehmigung unterbreitet worden. Insbesondere ist eine den
genauen Wortlaut erweiternde Interpretation schon dadurch
zurückgewiesen, dass das Alinea 2 in seinem Verhältnisse zu
Alinea 1 sich als eine Ausnahme von den regelmässigen For-
men der Abänderung von Verfassungsvorschriften darstellt.
Betrachten wir demgemäss den Wortlaut der Klausel, so
schliesst derselbe gewisse Annahmen schlechterdings aus.
Der Wortlautsteht auf den ersten Blick in einem klaren
Gegensatz zu solchen Bestimmungen, wie sie in Anlehnung an
das 10. Amendement der Nordamerikanischen und an Artikel 3
der Schweizer Bundesverfassung insbesondere die deutsche
Reichsverfassung von 1849 $ 5 dahin formulirte:
„Die einzelnen deutschen Staaten behalten ihre Selb-
ständigkeit, soweit dieselbe nicht durch die Reichsverfassung
beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheiten und Rechte,
al. 2, des Art. 46 al. 2, des Art. 52, der Schlussbestimmung zum XI. Ab-
schnitt und der Schlussbestimmung zum XII. Abschnitt, durch welche be-
stimmte Rechte Baierns und beziehentlich Würtembergs und Badens in deren
Verhältniss zur Gesammtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung
des berechtigten Einzelstaates abgeändert werden.‘‘ Sten. Ber. des d. Rchst.
1871. I. pag. 159 ff.
88 Der bairische Bundesbevollmächtigte von Lutz motivirte die Ableh-
nung des Antrages Hänel ausdrücklich dahin: ‚‚Die Fassung, wie sie
jetzt vorliegt, lässt die ganze Frage offen; die Fassung, wie sie der
Herr Vorredner vorschlägt, entscheidet, dass ete.‘‘ ib. pag. 161.