Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 197 
soweit diese nicht der.Reichsgewalt ausdrücklich 89 übertragen 
sind.‘ 
. Hier soll allen Rechten der Einzelstaaten eine Sicherung 
gewährt werden, welche eine nur negative Bezeichnung da- 
durch erfahren, dass die Feststellung bestimmter Rechte für 
dieheichsgewalt erfolgt ist. Gerade umgekehrt gewährt 
das Alinea 2 der Reichsverfassung eine besondefe Sicherung 
nur solchen Vorschriften, durch welcheden Einzelstaaten 
in deren Verhältniss zur Gesammtheit bestimmte Rechte fest- 
gestellt sind. Es ist unmöglich hierunter diejenigen Verfas- 
sungsvorschriften zu beziehn, die, weil sie die Rechte des 
Reichs in ausdrücklichen Bestimmungen regeln, für die Ein- 
zelstaaten eine nur negativ abgegrenzte und darum unbe- 
stimmte Gesammtheit von politischen Rechten zu selbständiger 
Innehabung und Ausübung übrig lassen 9. 
Von einem andern Gesichtspunkte ausgehend ist ferner- 
hin behauptet worden, dass, wie eng man auch den Begriff 
derselben gefasst habe, es doch stillschweigende oder erst im 
besondern Falle klar erkennbare jura singulorum geben könne 
und müsse. Das mag richtig sein und zugegeben werden. 
Aber unfassbar bleibt es, wie „Vorschriften der Reichs- 
verfassung, ‚durch welche „bestimmte Rechte* der 
Bundesstaaten „festgestellt sind “ stillschweigende oder 
‚auch nur im einzelnen Streitfall erst erkennbare sein können 9". 
\ 
Das Wort ‚„‚ausdrücklich‘‘ fehlt, wie häufig übersehn wird, sowohl der 
Nordamerikanischen als der Schweizer Verfassung. 
%® Der Komissionsbericht über den Antrag Schüttinger in der 
zweiten bairischen Kammer unterscheidet 1. Rechte, welche dem. 
Reiche ausdrücklich delegirt wurden, 2. Rechte, welche den Einzelstaaten 
ausdrücklich vorbebalten wurden, 3. Rechte, welche weder ausdrücklich über- 
wiesen noch ausdrücklich vorbehalten wurden. Auch die letztern sind nach 
ihm Sonderrechte, welche nur durch neuen Vertrag in Gemässheit des Alinea 2 
des a. 78 d. RV. abgeändert werden können. Verhandlungen der bairischen 
Kammer der Abgeordneten 1871/72. Beilagen Band II, pag. 169 ff. 
9: Dr. Schaffrath in der zweiten sächsischen Kammer, dem 
u. A. Staatsminister von Friesen zustimmte, behauptete: unter RV. 78al. 2 
fallende Einzelrechte sind nicht nur die ausdrücklichen, sondern auch still-
	        
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