Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Die einzelnen Bestimmungen der deutschen Reichsverfassung. 203 
erhalten, dass die norddeutsche Verfassung eben so, wie spä- 
ter die Verfassungsverträge und die deutsche Reichsverfassung 
nicht nur die Stimmenzahl jedes einzelnen Staates feststellen, 
sondern auch die Gesammtheit der Stimmen in einer Summe 
ausdrücklich auswerfen. 
Wenn bhiernach jene zweite Auffassung die Stimmenzahlen 
des Artikel 6 als Sonderrechte betrachtet und wenn sie aner- 
kennen muss, dass jede Veränderung hierin, auch wenn die 
absolute Stimmenzahl des einzelnen Staates nicht berührt wird, 
eine Veränderung des Stimmrechtes jedes einzelnen Staates 
bewirkt, so führt die vorausgesetzte Anwendbarkeit des jetzi- 
gen Alinea 2 des Artikel 78 auf die sonderrechtlichen Vor- 
schriften der norddeutschen Verfassung zu der nothwendigen 
Folgerung, dass es zur Zeit des norddeutschen Bundes Ver- 
fassungsänderungen gab, nämlich die Abänderungen der Vor- 
schriften über die Stimmrechte der einzelnen Staaten, wel- 
che an das Erforderniss der Stimmeneinhellig- 
keitderBundesstaaten geknüpft waren. 
Es ist zu bezweifeln, dass eine so einschneidende und 
politisch bedeutsame Bestimmung die Annahme einer still- 
schweigenden Geltung zulässt. Auf jeden Fall hat eine solche 
Bestimmung durch die Formulirung des jetzigen Alinea 2 im 
Artikel 48 der Reichsverfassung den zureichenden Ausdruck 
nicht gefunden und nur ob dieses mit allen seinen begriff- 
lichen Merkmalen zur Zeit des norddeutschen Bundes als gel- 
tend vorausgesetzt werden kann, steht zur Frage. Denn die 
Anwendung des Alinea 2 auf Artikel 6 würde lauten: Die- 
jenigen Vorschriften der Verfassung, durch welche bestimmte 
Rechte einzelner Staaten in Rücksicht auf die Stimmenzahl 
im Bundesrathe festgestellt sind u. s. w. Diese Anwendung 
aber würde nur den Gedanken als berechtigt erscheinen lassen, 
dass diejenigen Staaten, denen eine Mehrheit von Stimmen 
festgestellt ist, sich hierfür auf besonders geschützte Vorschrif- 
ten der Verfassung berufen könnten — denn lediglich sie sind 
„einzelne“. 
Dem gegenüber darf mit genügender Sicherheit ange-
	        
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