Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Fünftes und Schlusskapitel. 253 
Die Berufung auf die abstrakten Bestimmungen der Ver- 
fassung, auf das Veto des Präsidenten, auf den staatenweise 
gebildeten Senat, auf die Gerichte reicht nicht aus, denn ihr 
Schutz ist ein gesicherter nur dann, wenn bei ihrer Hand- 
habung, Wahl und Besetzung gegen die Erfahrung die Majo- 
rität der Gesammtbevölkerung durch die, die Staatenrechts- 
partei vertretende, Majorität der Staaten balancirt würde. 
Vielmehr, so folgert Calhoun, nur die Forderung genügt, dass, 
wie bei jeder Gewaltentheilung, so auch hier jeder Theil die 
Mittel des Schutzes seiner Rechte in sich selbst finde. Die 
reservirten Suveränetätsrechte der Einzelstaaten können wirk- 
samen Schutz nur finden durch Rechte, welche nicht in der 
Unionsverfassung, sondern in der verfassungsmässigen Rechts- 
sphäre des Einzelstaates liegen. 
So entwickelt die Staatenrechtstheorie das Veto des Ein- 
zelstaates- und seines Volkes gegen die Unionsgewalt und das 
Veto dieser gegen jene. Sie hat zum Ausgangspunkt und 
Endziel den wirksamen Rechtsschutz der verfassungsmässigen 
Rechte der Einzelstaaten gegenüber einer rechtswidrigen Aus- 
übung der Unionsgewalten. 
Auf einer ganz andern politischen Grundlage hat sich das 
deutsche Reich aufgebaut. 
Als der norddeutsche Bund gegründet wurde, konnte der 
Gedanke nicht aufkommen, die Centralgewalt loszulösen von 
der Staatsgewalt des mächtigsten Staates Preussen und sie 
nach dem Muster Nordamerikas und der Schweiz in gleich- 
mässiger Erhabenheit allen einzelnen Staaten gegenüberzu- 
stellen. Es handelte sich nur um eine doppelte Möglichkeit. 
Entweder der Hegemoniestaat wurde begründet. Auf den 
preussischen Staat als solchen wurde eine näher bestimmte 
Reihe von Hoheitsrechten über die übrigen halbsuveränen 
Staaten übertragen; der Monarch Preussens, seine Ministerien, 
seine Behörden empfingen einen über das preussische Gebiet 
hinausreichenden Wirkungskreis; der preussische Landtag 
verstärkte sich ad hoc mit den Vertretern aus andern Staaten. 
Oder aber man griff zu der Auskunft, die Anerkennung derhe-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.