Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Fünftes und Schlusskapitel. 265 
ferner darum indirekt, weil der Rechtsspruch. niemals die 
Gültigkeit oder Ungültigkeit der kontestirten Rechtsnorm 
selbst, sondern immer nur die Anwendung oder Nichtanwend- 
barkeit derselben im einzelnen Falle bewirkt. \ 
Aber selbst in dieser Beschränkung ist der hier gewährte 
Rechtsschutz unzulänglich. | 
Allerdings die Aufrechterhaltung einer landesrechtlichen 
Norm entgegen einer Anordnung des Reiches durch einen Ge- 
richtshof des Reiches — Reichsoberhandelsgericht, Bun- 
desamt für das Heimathswesen, Reichseisenbahnamt, — wird 
nicht nur einen gewichtigen Präzedenzfall bilden, sondern 
auch dem betheiligten Einzelstaate einen guten Anspruch ge- 
währen, dass das Reich seinerseits die Kollision mit dem Lan- 
desrechte durch Aufhebung oder Modifikation seiner Anord- 
nung definitiv schlichte. 
Allein das Gleiche gilt nicht von den Rechtssprüchen der 
partikulären Gerichtshöfe. Selbstverständlich ist ihre Rechts- 
kraft unanfechtbar für den einzelnen entschiedenen Fall. 
Allein das Reich wird die Verpflichtung nicht anerkennen, 
die Rechtsgültigkeit seiner Gesetze, Verordnungen und Ver- 
fügungen von den Rechtsprüchen einer Reihe durch keine 
höchste Instanz verbundener, verschiedenartig organisirter 
und mit verschiedenen Kompetenzen ausgestatteter Gerichts- 
höfe dauernd kontestiren und die Wirksamkeit derselben damit 
hemmen zu lassen. Solange nicht ein höchster Gerichtshof 
des Reiches selbst berufen ist, in allen Rechtsstreiten, in denen 
es sich um die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit einer 
Reichsnorm insbesondere im Kollisionsfalle mit dem Landes- 
rechte handelt, endgültig und einheitlich zu entscheiden, so- 
lange wird das Reich die Ergreifung derjenigen gesetzlichen 
oder administrativen Massregeln von Seiten des Einzelstaates 
beanspruchen können, welche nach Landesrecht zulässig und 
welche geeignet sind, um den dauernden Widerstreit der 
Rechtssprüche der Gerichte des Einzelstaates mit den von den 
zuständigen Organen des Reiches erlassenen und als giltig 
anerkannten Normen zu beseitigen. —
	        
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