Allgemeine Erörterungen. 45
kennung des so geschaffenen und des so und nicht blos ver-
tragsmässig qualifizirten Bundes 2,
Aus dieser nothwendig vertragsmässigen Seite des
Staatenbundes fliessen wichtige Folgesätze.
Obwohl der Staatenbund juristische Person ist, so gehört
er doch zu den gewillkürten Gemeinschaften, welche durch
den Vertrag ihrer Theilnehmer wiederum aufgelöst werden
können, wenn sie auch durch den Ausschluss des einseitigen
Rücktrittsrechtes auf die Dauer angelegt sind.
Die Grundgesetze des Staatenbundes, weil sie gleichzeitig
Grundverträge sind, können immer nur im Wege der vertrags-
mässigen Einigung seiner Mitglieder abgeändert werden. Was
Grundgesetz oder Grundvertrag bildet, ist freilich lediglich
eine Frage des konkreten Falles, wie denn die Konfederations-
artikel selbst die Aufnahme neuer Mitglieder durch qualifizirten
Majoritätsbeschluss des Kongresses zuliessen.
Auch die Interpretation einer Bestimmung des Grundge-
setzes oder Grundvertrages ist an die vertragsmässige Eini-
gung der Einzelstaaten gebunden, gleichgültig ob dieselbe im
Allgemeinen erfolgen oder die rechtliche Grundlage eines ein-
zelnen Beschlusses oder einer einzelnen Massregel bilden soll #3.
Jeder Versuch daher eine Abänderung der Grundgesetze
sei es direkt oder im Wege der Interpretation durch Majori-
tätsbeschlüsse zu bewirken oder durchzusetzen, kann von den
dissentirenden Mitgliedern als Bruch des Vertrages, auf
42 Für diese Doppelnatur war der Sprachgebrauch des deutschen Bundes,
welcher die Bundes- und Schlussakte bald Grundverträge bald Grundgesetze
nannte, ganz charakteristisch.
43 (Gerade dies war der Sinn von Art. 17 der Wiener Schlussakte, „wo-
nach der Bundesversammlung keine andere Befugniss zustehen könne, als in
Beziehung auf die Anwendung der Grundgesetze den zweifelhaften Sinn dem
Bundeszwecke gemäss zu erklären. Würde aber eine solche Erklärung“ —
also obwohl in Anwendung der Grundgesetze — „eine wirklich neue
Gesetzgebung oder Abänderung in den bestehenden Gesetzen zur Folge haben,
so könne solche nicht anders als nach den Vorschriften des 13. Art. durch
Stimmen-Einhelligkeit bewirkt werden.“ Aegidi, die Schluss-Acte, pag 269.