106 8 2. Die Terminologie und die Streitfrage. [10
Rechtssätze in der Form der Verordnung, d. h.
in jener Form staatlicher Willensbildung, die ohne Mitwirkung
der Volksvertretung vor sich geht.
Von diesen vier Eintheilungsgliedern sind zwei: „formelle
Gesetze mit dem Inhalt von Rechtssätzen“ und „materielle Ge-
setze d. h. Rechtssätze in der Form von Gesetzen“ vollkom-
men identisch. Für ihre isolirte Betrachtung würde die Ter-
minologie: „Gesetz im formellen und materiellen Sinne“ keiner-
lei andern Werth haben, als die Unterscheidung von Form
und Inhalt in verkünstelter Weise zu bezeichnen. Werth und
Bedeutung hat daher die Terminologie nur für die übrigen
beiden Glieder der Eintheilungen, welche die doppelte Aussage
enthalten:
„es giebt Erscheinungen, die die Form des Gesetzes auf-
weisen, aber nicht einen Rechtssatz, sondern irgend ein Drit-
tes zum Inhalte haben: formelle Gesetze ohne materielle
Gesetzeseigenschaft d. h. ohne Rechtssatz“;
„es giebt Erscheinungen, die zwar zum Inhalt ihrer An-
ordnung einen Rechtssatz haben, aber die Form des Gesetzes
nicht aufweisen: materielle Gesetze ohne Gesetzesform.“
Genau der nämliche Gedankengang, der für das Gesetz
eingeschlagen ist, wird von Laband und seiner Schule auf die
Verordnung angewandt.
Verordnungen im formellen Sinne sind alle Wil-
lensakte des Staates, welche „im Wege der Verordnung sich
vollziehen“ d. h. ohne Mitwirkung der Volksvertretung. Durch
die Reflexion auf den Inhalt derselben wird alsdann die Ein-
theilung gebildet
in formelle Verordnungen, welche Rechtssätze
zum Inhalte haben, und
in formelle Verordnungen, welche „Verwaltungs-
vorschriften“ enthalten.
Verordnungen im materiellen Sinne sind „Ver-
waltungsvorschriften“, welche die Natur von Rechtssätzen
nicht haben. Wird bei ihnen auf die Form reflektirt, in der
sie Rechtsverbindlichkeit gewinnen, so ergeben sich