17] $ 2. Die Terminologie und die Streitfrage. 113
Umgekehrt giebt es auch gesetzliche Bestimmungen, welche
zur Abänderung einer Verordnung die Form des Gesetzes vor-
schreiben, z. B. die preussische Verordnung zur Bildung der
ersten Kammer vom 12. Oktober 1854 nach a. 65 der Ver-
fassung, die Verordnungen zur Abgrenzung der Reichstags-
wahlkreise nach $ 6 des Reichswahlgesetzes vom 31. Mai
1869.
Bezeichnet man nun die entwickelten regelmässigen Fol-
gen, die sich an die Form des Gesetzes knüpfen, als „for-
melle Gesetzeskraft“, so kann man sagen: es giebt Gesetze
ohne formelle Gesetzeskraft. Hält man an dieser Bezeichnung
auch dann noch fest, wenn jene Folgen positivrechtlich an eine
andere als die Form des Gesetzes geknüpft sind, so spricht
man von Verordnungen oder „rechtsungültigen“ Gesetzen, denen
formelle Gesetzeskraft beigelegt ist. Gekünstelt ist der Sprach-
gebrauch auch hier, aber er ist, richtig verstanden, unschädlich.
Nur das ist entschieden unrichtig, wenn man mit La-
band — Staatsrecht, 2. Aufl, I, pag. 577 — zum Unterschiede
der Verfassungsgesetze von den einfachen Gesetzen von einer
„verstärkten“ formellen Gesetzeskraft der erstern spricht. Die
formelle Gesetzeskraft ist der „Intensität“, der rechtlichen Wir-
kung nach, nämlich Gültigkeit und Rechtsverbindlichkeit zu
verleihen, immer nur ein und dieselbe, nur die Bedingun-
gen ihres Eintrittes wie ihrer Abänderung sind bei den Ver-
fassungsgesetzen erschwerte, vermehrte, verstärkte.
Alle die rechtlichen Folgen nun aber, die sich an die,
eines vielfältigen Inhaltes fähige Form des Gesetzes knüpfen,
sind allgemeine. Die besonderen, individualisirten Rechts-
folgen, die sich an das konkrete, individualisirte Gesetz knü-
pfen, sind der Natur der Sache nach durch den Inhalt des
Gesetzes bedingt. Wenn wir für diesen Inhalt die Kategorien des
Gebotes und Verbotes, der Berechtigung und Ermächtigung
aufstellen, so wirkt jedes konkrete Gesetz oder jede konkrete
Gesetzesklausel als Gebot, Verbot, Berechtigung, Ermächti-
gung. Wenn wir unter anderweitigen Eintheilungsgründen
den Inhalt der Gesetze anderweitig bestimmen, auf dem Ge-
Haenel, Studien. H. 8