25] & 3. Der Begriff des Rechtssatzes. 121
gewährt werden oder auf dem Zwange aller auf das Indivi-
duum einstürmenden physischen und geistigen Nöthigungen,
Traditionen und Autoritäten beruhn. Ein Gesetz, welchem
diese psychologische Grundlage fehlt, ist trotz der verwunder-
ten Polemik Seligmann’s (Begriff des Gesetzes, pag. 128)
gegen Bremer ein leeres Nichts. Und Das gerade ist es,
worauf die von den Subjekten, die es zunächst angeht, los-
gelöste Bedeutung der Rechtsimperative, die Gemeingültigkeit
jedes Rechtssatzes, auch des letzten Individualgesetzes, die alle
Subjektivität bedingende „Objektivität“ des Rechtes beruht.
Doch — jede tiefere Begründung des Rechtes und seiner
wesentlichen Erscheinungen führt zurück auf psychologische
Untersuchungen, auf Probleme, die vorhergehenden Wissen-
schaften angehören. Der Jurist darf, ja er muss von seinem
einseitigen und spätern Standpunkte aus sich auf Das be-
schränken, was ihn angeht. Und von hier aus genügt es
vollständig festzustellen, was von Niemand als das Wesen des
objektiven Rechtes bestritten ist und für dessen Bezeichnung
es immer nur sich darum handelt, den mehr oder minder
glücklichen Ausdruck zu finden.
Objektives Recht ist Richtschnur, Regel, Mass-
stab, nach denen das Verhalten der an einem bestimmten
Thatbestand Betheiligten als Rechte und Pflichten bestimmt,
begründet werden. Wo Rechte und Pflichten ausgesagt wer-
den, da wird ausgesagt, dass objektives Recht als bestimmen-
der, begründender Massstab angewandt sei. Wo objektives
Recht behauptet wird, da wird behauptet, dass kraft und auf
Grund desselben unter den von ihm bezeichneten Voraus-
setzungen sich subjektive Rechte und Pflichten entwickeln.
Objektives Recht und das, Rechte wie Pflichten befassende, sub-
jektive Recht bilden die beiden Seiten des Rechtes schlecht-
hin; keine von beiden kann ohne die Beziehung auf die an-
dere auch nur gedacht werden, Und zwar stehn diese beiden
Seiten in dem Verhältniss von Regel zum Geregelten, von Mass-
stab zum Gemessenen, von Richtschnur zum Gerichteten.
Das objektive Recht ist es daher, welches den zureichen-