Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

144 & 5. Das konstitutionelle Gesetz. [48 
wiederum in bestimmter schriftlicher Form sein Veto einlegte, 
alsdann in zwei aufeinander folgenden Legislaturperioden noch- 
mals gleichlautend wiederholt wurden. Die „lois“ waren da- 
mit scharf geschieden von den „proclamations“ des Königs und 
sonstigen „actes emanes de l’autorite royale“. Sie waren aber 
auch scharf geschieden von allen übrigen, zum Theil in die 
vollziehende Staatsverwaltung unmittelbar eingreifenden decrets 
des corps legislatif, die einer Sanktion des Königs nicht un- 
terlagen, obwohl sie von ihm promulgirt werden mussten. 
Diese trugen den Namen lois nicht, sondern sie fielen unter 
den allgemeinen Begriff der actes du corps legislatif. Nur ein 
einziger dieser Akte hatte le nom et l’intitul& de lois, näm- 
lich „les decrets du corps legislatif concernant l’&tablissement, 
la prorogation et la perception des contributions publiques“. 
Aber auch hiermit bleibt die oft wiederholte Behauptung voll- 
kommen unrichtig, dass der „pouvoir legislatif‘“, als die Summe 
der pouvoirs et fonctions des corps legislatif, identisch ge- 
wesen sei mit der „Gesetzgebung“, der Erzeugung der „lois“. 
Der Umfang beider deckte sich schlechterdings nicht. 
Die hiermit geschaffenen neuen rechtlichen Erscheinungen 
verdeutlichten sich noch mehr, nachdem die folgenden franzö- 
sischen Verfassungen des Konventes, des Direktoriums, des 
Konsulates und des Kaiserthums der Doktrin für ihre nor- 
malen Begriffsbestimmungen keinen Anhalt geboten hatten, 
durch die beiden Charten der Restauration und des 
Julikönigthums. In ihnen verschwindet die suveräne Stel- 
lung des corps legislatif. Sie gewährten dem Könige nicht 
nur die Rechte der Sanction und Promulgation zu den De- 
kreten der Volksvertretung, sondern sie schrieben ihm einen 
gleichberechtigten Antheil an der jenen Akten vorausgehenden 
gesetzgeberischen Willensbildung zu. Sie beseitigten alle ein- 
seitigen Akte der Volksvertretung, die Rechtsverbindlichkeit 
Dritten gegenüber erzeugen sollten und zu deren Promulgation 
daher der König verpflichtet war. Damit schufen sie den 
reinen Gegensatz des Gesetzes einestheils und der Verord- 
nungen des Königs andererseits.
	        
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