Die Verfassungsentwürfe und die Verfassungen. 15
Staatsverkehrsanstalten, die Bezeichnungen „Bundesmarine“,
„Bundeskriegswesen“, „Bundesheer“, „Bundeskasse“, die
Einsetzung von „Bundeskonsulaten“, die alle, auch die preu-
ssischen „Landeskonsulate“ ersetzen sollten — das Alles ver-
deckte nicht nur dem Wortlaute nach die beabsichtigte Or-
ganisation, sondern es widersprach ihr zum Theil auch sachlich,
wenigstens bei einer ungekünstelten Auslegung. Es war na-
türlich, dass man diesen Bestimmungen überall, stillschweigend
und ausdrücklich, die herkömmliche Auffassung des Bundes-
staates unterschob, welche ein selbständiges Bundesorgan für
die vollziehende Gewalt, neben dem wesentlich gesetzgebe-
rischen Bundesrathe und über allen, auch dem preussischen
Einzelstaate, voraussetzte und verlangte.
Allerdings blieb man sich bewusst, dass es sich um ein
ganz eigenthümliches Werk handele Man fand, dass der
Entwurf keinen Bundesstaat, keinen konstitutionellen Staat,
keine monarchische Spitze nach der Schablone darstelle. Man
rühmte in der Fremdartigkeit der Bestimmungen die eminent
praktische Organisationskraft, die sich an kein wissenschaft-
liches Schema und an kein historisches Beispiel bände. Der
Reichstag verwarf alle Verbesserungsanträge,! welche darauf
ausgingen, durch eine allgemeine Bestimmung das Dasein einer
Bundesgewalt im ganzen Gebiete der Vollziehung festzustellen,
obgleich mit vollem Rechte gesagt wurde,? dass mit der Ver-
werfung dieser Anträge die Ansicht bekundet werde: „dass die
Krone Preussen als Bundesoberfeldherr oder in ihrer Eigen-
schaft als Bundespräsidialmacht alles das, was ihr in dem
Entwurfe beigelegt wird, nicht als Bundesgewalt, sondern
lediglich als eine preussische Gewalt über den Bund aus-
üben solle.“ Kurz, der Reichstag vermied und umging es, in
allgemeinen Erörterungen und Beschlüssen eine Klarstellung
und Schlichtung des Unterschiedes herbeizuführen, der zwei-
ı Die Anträge Zachariä, Drucks. d. konstituirenden R. Nr. 21, 2.
Nr. 31, 64. Ausfeld Nr. 23. Nr. 111. Erxleben Nr. 30.
9 Zachariä, Sten. Ber., pag. 322.