150 8 6. Die Form der gesetzgeberischen Willensbildung. [54
Organe fordert, ist die Mannigfaltigkeit der positivrechtlichen
Erscheinungen, ist vor allen Dingen die Erscheinung des Bun-
desstaates und des deutschen Reiches vollkommen unverträg-
lich und unerklärlich.
In jenen Verfassungstexten liegen nun aber charakter-
istische Unterschiede vor, die sie von andern positivrechtlichen
Bestimmungen klar und deutlich abheben.
Sie stellen sich in einen Gegensatz zu jener rechtlichen
Auffassung, welche der Volksvertretung allein die Bildung des
gesetzgeberischen Willens der rechtlichen Zuständigkeit nach
zuspricht, dem Könige aber nur ein Recht der Bestätigung
belässt. Hier ist die „Sanktion“ ihrem Gehalte nach, der
vorbildlichen Lehre Montesquieu’s entsprechend, nur ein ab-
solutes oder suspensives „Veto“. Diese Form ist in der
französischen Verfassung von 1791 und nach ihr noch
jetzt in der norwegischen Verfassung ausgeprägt, sie hat
sich aber auch trotz aller Beschönigungen in der parlamen-
tarıschen Praxis England’s — abgeselhn von den Geldbills,
für welche allein der Krone eine Initiative zusteht — aus-
gebildet.
Sie stellen sich aber nicht minder in einen Gegensatz zu
jenen andern Auffassungen anderer, insbesondere der über-
wiegenden Zahl der deutschen Verfassungen, welche
die Gesetzgebung auch im Stadium der gesetzgeberischen
Willensbildung allein dem Staatsoberhaupt zuschreiben, derge-
stalt dass die Mitwirkung der Volksvertretung nur als eine
äusserliche, der Ausübung des monarchischen Gesetzgebungs-
rechtes hinzutretende Schranke sich darstellt. Hier ist die
„Sanktion“ des Staatsoberhauptes allein der gesetzgeberische
Beschluss selbst, die Zustimmung der Volksvertretung nur die
Bedingung seiner Fassung.
Im Unterschiede zu beiden Auffassungen besagt der Text
der deutschen und preussischen Verfassung, wie er nun
einmal geht und steht, dass als Rechtssubjekt der gesetz-
geberischen Willenserzeugung nicht der Bundesrath allein,
nicht der König allein erachtet wird, dass die Mitwirkung der