156 $ 6. Die Form der gesetzgeberischen Willensbildung. [60
auch der bayerischen, braunschweiger und sonstiger
„Landtagsabschiede, welche selber die Form des Gesetzes
nieht haben, lehrt es, wie auch hier eine bestimmte, wenn
auch den obwaltenden Umständen, ja Bequemlichkeiten sich
anschmiegende Staatspraxis feststellt, waun jene gesetz-
geberische Mitwirkung und wann nur die leichtere Form
der Zustimmung zu Akten der vollziehenden Verwaltung statt-
findet. Dort handelt es sich um Berathung und Beschluss-
fassung über formulirte Gesetzentwürfe, deren Text in jeder
einzelnen Klausel festzustellen ist, hier um Resolutionen der
Volksvertretung zu den Erklärungen der Staatsregierung, dass
sie eine bestimmte Regierungsmassregel vornehmen wolle. In
jenem ersten Falle bekundet bereits die Vorlage und stellen
die parlamentarischen Berathungen und Beschlüsse die Absicht
klar, dass der Staatsakt nur durch die hinzutretenden ver-
fassungsmässigen Formen der Sanktion, Promulgation und
Publikation rechtsgültig und rechtsverbindlich werden soll.
In dem letztern Falle bekunden die Formen der Vorlage, der
Verhandlungen und Beschlüsse die Absicht an Stelle aller
weitern gesetzgeberischen Stadien einfach die Vornahme der
Regierungsmassregel treten zu lassen, welche je nach ihrer
Natur bald in eine Verordnung des Königs bald nur in eine
ministerielle Anordnung eingekleidet wird, sehr häufig aber
— abgesehn von ihrer Erwähnung im Landtagsabschiede —
ohne jede weitere Form als eine rein interne Angelegenheit
der vollziehenden Verwaltung verläuft.
Und so würde es auch unter der Herrschaft der Ver-
fassungen, welche das Recht der Volksvertretung als Zustim-
mung formuliren, eine willkürliche, dem positiven Recht wider-
streitende Abstraktion sein, wenn man die Form der ge-
setzgeberischen Willensbildung mit der Form der
Zustimmung zu anderweitigen Staatsakten identi-
fizirte.
III. Das festgestellte Ergebniss ist kein blos zufälliges
und äusserliches. Es entspricht der Natur der Staats-
form, für die es gilt.