Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

194 $ 9. Der Begriff der Verwaltung. [98 
zelnen Fall zu entscheiden. Es sind die absoluten Gebote 
und Verbote, die im Bereiche der Sittlichkeit aber auch in 
dem der Praktikabilität, der Klugheit ihre Stelle finden. 
Aber es ist unrichtig, es widerspräche der Vielgestaltig- 
keit der im sittlichen Lebensplan zusammengefassten mensch- 
lichen Thätigkeit, es hiesse den lebensvollen Charakter zum 
verknöcherten Pedanten herabsetzen, wenn man der Annahme 
nachhinge, als ob sich die regulativen Willensbestimmungen 
in einer abgeschlossenen Reihe allgemeiner Gebote und Ver- 
bote erschöpfen liessen. 
Das Leben fordert Entscheidungen, die der logischen Sub- 
sumtion unter eine im Voraus gebildete allgemeine Regel un- 
zugänglich sind, die vielmehr der individuellen Gestaltung des 
Falles nur mittels einer, zwar mit der Gesammtrichtung des 
Charakters übereinstimmenden, aber doch selbständigen und 
besondern Regelung gerecht werden. Vor Allem — auch für 
das durchbildetste System der Sittlichkeit und für die ausge- 
klügeltste Reglementirung der Klugheit bleibt ein Bereich nicht 
blos des Erlaubten, als des sittlich Gleichgiltigen, sondern viel- 
mehr der Freiheit der Wahl, die selbst sittlichen Werth hat, 
ein Bereich, in dem nur das praktische Taktgefühl das Rich- 
tige trifft. Hier reichen die regulativen Willensbestimmungen 
nicht weiter, als dass sie die Grenzen und die Richtungen be- 
zeichnen, innerhalb deren die unmittelbaren Werthgebungen 
der freien Individualität Platz greifen dürfen und sollen, wie 
in der Wahl des Berufes, der Liebes- und Freundschaftsbe- 
ziehungen, des Ausschlages bei gleichwerthigen Pflichten. Hier 
haben die regulativen Willensbestimmungen nicht die Aufgabe, 
die menschlichen Strebungen festen Regeln unterzuordnen, 
sondern nur die andere Bedeutung, die Freiheit der Ent- 
schliessungen in den Gesammtplan des Lebens und in die 
durch die allgemeinen Zweckbestimmungen bezeichneten Rich- 
tungen ohne Widersprucch und Hemmung einzuordnen. 
In allgemeinen und individualisirten Geboten und Ver- 
boten, wie in begrenzten Ermächtigungen zu freiem Handeln 
ethätigen sich die regulativen Willensbestimmungen, welche
	        
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