20 Die Verfassungsentwürfe und die Verfassungen.
„Die Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidiums
werden im Namen des Bundes erlassen und bedürfen zur Gül-
tigkeit der @egenzeichnung des Bundeskanzlers, welcher da-
durch die Verantwortlichkeit übernimmt.“
Er bewirkte dem Zusammenhange seiner einzelnen Be-
stimmungen und dem zweifellosen Sinne nach, wie er in den
vorausgehenden Verhandlungen festgestellt war, ein Doppeltes.
Nicht nur die unmittelbar an die gesetzgeberischen Be-
schlüsse des Bundesrathes sich anknüpfenden Anordnungen,
sondern sämmtliche Anordnungen und Verfügungen, welche
sich im ganzen Umfange der Verfassung auf die Vollziehung
von Bundes wegen gründeten, sollten „im Namen des Bundes“
und von einem Präsidium erlassen werden, welches neben dem
Bundesrath und unterschieden von der preussischen Staats-
gewalt sich als Organ des Bundes als solchen darstellte.
Sodann — der Bundeskanzler, indem ihm eine selb-
ständige Verantwortlichkeit gegenüber Bundesrath und Reichs-
tag aufgelegt wurde, gestaltete sich zu einem ausserhalb des
Bundesrathes und ausserhalb der preussischen Beamtenhierarchie
stehenden Beamten des Bundes als solchen, der der erste und
einzige Minister des Bundespräsidium, als Organes der voll-
ziehenden Gewalt des Bundes war.
Beides selbstverständlich, soweit die verfassungsmässigen
Kompetenzen des Bundes reichten und dem Bundesrathe die
Beschlussfassung nicht auch im Gebiete der Vollziehung vor-
behalten war.
Mit der Annahme des Antrages von Bennigsen wurde die
prinzipielle Grundlage, auf welcher nach dem preussischen
und dem von den verbündeten Regierungen vorgelegten Ver-
fassungsentwurfe die Organisation des Bundes beruhte, nicht
nur durchbrochen, sondern geradezu umgewandelt. Die hege-
monischen Rechte Preussens in der beabsichtigten Form und
abgesehen von der Bevorrechtung innerhalb des Bundesrathes,
verschwanden. Die Vormachtstellung Preussens gewann die
andere Gestaltung, dass die preussische Staatsgewalt in Per-
sonalunion gesetzt wurde mit der dem Präsidium verfassungs-