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Recht und Staat.
I. Der Ausführung, welche der Thätigkeit des Staates zur
Aufrechterhaltung der Rechtsordnung die andern Thätigkeiten
der Soldatenausbildung, der Schuleinrichtungen, des Wege-
baues u. s. w. gegenüberstellt, fügt Laband (Staatsrecht 1. Aufl.
II, 200) hinzu: „Sie sind möglich und denkbar, ohne dass sie
durch spezielle Gesetze angeordnet und normirt werden; die
Regierung hat die Befugniss zur Vornahme dieser Thätigkeiten
nicht auf Grund von Rechtsregeln, sondern auf Grund der
Natur des Staates und der aus dieser Natur sich ergeben-
den Aufgaben des Staates.“
Damit klingt eine Theorie an, die freilich von Laband
selbst grundsätzlich nicht entwickelt ist, die aber unsere Li-
teratur in weiter Verbreitung beherrscht und deren Folgerun-
gen sich auch in dem Streite um das formelle und materielle
Gesetz geltend machen. Es ist die Theorie von der Zu-
fälligkeit des Rechtes im Verhältniss zum Staate.
Am entschiedensten ist sie von Jellinek formulirt wor-
den. Er sagt: „Substanziell ist der Staat, wie jede Person,
durch sein physisches Können und seine Zwecke begrenzt.
Rechtsgrenzen können ihm aber nur durch eigenen Willen
gesetzt werden.“ (Gesetz und Verordnung pag. 198). „Kraft der
Selbstbeschränkung wird er — der Staat — aus einer blos
physischen Kraft zu einer sittlichen, erhebt sich sein Wille
aus einer schrankenlosen Gewalt zu einem rechtlich andern
Persönlichkeiten gegenüber beschränkten und eben dadurch
gewinnt er Rechtspersönlichkeit nach Innen und Aussen“
(pag. 199). „Die Staatsordnung, mit jedem Staat nothwen-
dig gegeben, kann bei der Entstehung des Staates ein rein
faktisches Verhältniss der Über- und Unterordnung dar-
stellen. Im Fortschritte der Gesittung oder der Festigung
der staatlichen Zustände erscheint durch Gewöhnung und
Überzeugung diese Ordnung als innerlich nothwendig und da-
her zu Recht bestehend.“ (pag. 206).