934 8 12. Recht und Staat. [138
solches Gesetz enthält Kompetenzbestimmungen und daher
Rechtssätze.
Das gilt auch bei negativer Fassung der Vorschrift.
Vielfach ergiebt der klare Wortlaut und die klare Absicht der
Verfassungen und Gesetze, dass dem Staate die Vornahme ge-
wisser Massregeln, welche aus der rechtlichen Auffassung der
Staatsgewalt abgeleitet werden konnte oder im positiven Rechte
bisher unzweifelhaft anerkannt war, auf Grund einer allge-
meinen Ermächtigung versagt werden soll. So die Aufnahme
einer Anleihe, die Übernahme einer Garantie, die Abolition
eines Strafprozesses, die Errichtung von Fideikommissen, die
Naturalisation eines Fremden, die Veränderung der Staats-
grenzen, die beliebige Verwendung des Staatsvermögens z. B.
zur Unterstützung einzelner Landestheile in Nothständen, zur
Dotation verdienstvoller Männer. Hier überall wird es der
Gesetzgebung vorbehalten, von Fall zu Fall die besondere
Ermächtigung auszusprechen, die als allgemeine keinem Staats-
organe und darum auch dem Staate schlechthin nicht zusteht.
Hier überall ist sowohl die allgemeine negative Begrenzung
der Kompetenz, wie die besondere Erweiterung derselben in
jedem einzelnen Falle Rechtssatz.
Das gilt endlich auch dann, wenn die Vornahme irgend
einer Massregel von Staatswegen zwar an sich aus einer all-
gemeinen rechtlichen Ermächtigung abgeleitet werden kann,
aber eine Vorschrift in Gesetzesform dieselbe zum Inhalte
einer besondern Ermächtigung erhebt. Denn ein gesetzlicher
Rechtssatz — um dies auch in diesem Zusammenhang zu
betonen — ist darum nicht weniger Rechtssatz, weil er aus
einem allgemeinen oder aus einer Kombination mehrer Rechts-
sätze gefolgert werden kann. Vielmehr gewährt ihm seine
positivrechtliche Formulirung eine selbständige, von der Rich-
tigkeit oder Unrichtigkeit der Deduktion unabhängige, mit
jenen vorausgesetzten Rechtssätzen vollkommen gleichwerthige
Gültigkeit.