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Ein anderer Theil der deutschen Verfassungen gelangt
zu dem nämlichen Ergebniss nicht dadurch, dass sie die Ge-
setzgebung auf bestimmte Gegenstände beschränken; sie
sprechen ganz allgemein: „Kein Gesetz kann ohne Zustimmung
der Stände erlassen, abgeändert oder authentisch interpretirt
werden.“ Aber sie erweitern durch die Ermächtigungen des
Verfassungstextes selbst das Recht der Verordnung, indem sie
dem Staatsoberhaupte das Recht zuschreiben, nicht nur die
„zur Vollziehung und Handhabung der Gesetze erforderlichen“,
sondern auch solche Verordnungen zu erlassen, „die aus dem
Aufsichts- und Verwaltungsrecht fliessen.“ Die Haupt-
repräsentanten sind hier die Verfassungen von Sachsen
&$ 86. 87, Hessen aa. 72. 73, auch Reuss ä. L. 88 66. 67.
Auch hier ist es nicht zweifelhaft und in der Staats-
praxis unbestritten, dass durch den Verfassungstext das Ver-
ordnungsrecht über die Vollzugs- oder Ausführungsverordnun-
gen hinaus erweitert worden ist. Und zwar ist durch die
Erweiterung, soweit nicht für einzelne Behörden und insbeson-
dere für das gerichtliche Behördensystem besondere Ver-
fassungsbestimmungen getroffen sind, genau so wie bei jener
ersten Gruppe, die „organisatorische Gesetzgebung“
dem Verordnungsrecht überwiesen.
Aber im vollen Gegensatz zu allen bisherigen Formu-
lirungen des positiven Rechtes stehn voran die württember-
gische und die preussische Verfassung und mit ihnen ins-
besondere die Verfassungen von Oldenburg aa. 5. 136. 137,
Coburg-Gotha S$ 104. 105. 106. 128, Waldeck 88 6. 8.
Sie bestimmen für die Gesetzgebung schlechthin:
„Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern
ist zu jedem Gesetz erforderlich.“
Sie bestimmen für das Verordnungsrecht schlechthin:
„Der König — erlässt die zur Ausführung der Ge-
setze nöthigen Verordnungen.“
Diese gegensätzlichen Fassungen des positiven Rechtes
sind nicht zufällige, sie entstammen nicht der Ungelenkig-
keit oder Willkür des Sprachgebrauches. Das beweist die