Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

332 $ 22. Der Massstab der konstit. Verantwortlichkeit. [236 
gesetzes müssen in dieser Rücksicht um des Rechtes selbst 
willen der innern und besondern Natur desselben Ausdruck 
verschaffen. 
So hat sie denn auch das positive Recht geregelt. 
Gerade ihre Betrachtung ergiebt, dass die rechtliche 
Natur des Budgetgesetzes neben der einen Seite: Richtschnur 
für die Finanzverwaltung zu sein, noch eine andere Seite auf- 
weist. 
I. Das Budgetgesetz ist ein gesetzlicher Mass- 
stab der konstitutionellen Verantwortlichkeit, durch 
welche die letztere eine besondere Gestaltung empfängt. 
Im unmittelbaren Anschluss an die Grundsätze, welche 
für die Feststellung des Budgets massgebend sind, bestimmt 
die Reichsverfassung in Art. 72: 
„Über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs ist 
durch den Reichskanzler dem Bundesrathe und dem Reichs- 
tage jährlich Rechnung zu legen.“ 
Das Budgetgesetz ist es, welches dieser jährlichen Rech- 
nungslegung zu Grunde zu legen ist. Anders ausgedrückt: 
Das Budgetgesetz regelt in spezifischer Weise das Verant- 
wortlichkeitsverhältniss, welches für die Finanzverwaltung 
zwischen den einzelnen Faktoren der Gesetzgebung und dem 
für die vollziehende Gewalt verantwortlichen Organen obwaltet. 
1. Subjekt der Verantwortlichkeitspflicht ist 
hiernach der Reichskanzler, als der verantwortliche Mı- 
nister des Kaisers im ganzen Umfang seiner politischen Ge- 
walt. Und zwar ist er dies — selbstverständlich vorbehaltlich 
seiner Vertretung nach Massgabe des Gesetzes vom 17. März 
1878 — ausschliesslich. 
Dies ist durch die Natur der Sache gefordert. 
Das Budgetgesetz ist der umfassende, alle Vereinnah- 
mungen und Verausgabungen einheitlich zusammenfassende 
Gesammtplan der Finanzverwaltung. In dieser seiner Eigen- 
schaft ist dasselbe nur durchführbar durch die an oberster 
Stelle fungirende, einheitliche Leitung, der alle einzelnen Aus- 
führungsmassregeln der mit finanziellen Verrichtungen befass-
	        
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