354 $ 23. .Die Budgetlosigkeit. [258
sind die Einnahmen, einschliesslich ihrer Erhebungskosten, die
nach Massgabe der Reichsverfassung und der Reichsgesetze
für Rechnung des Reiches von den Einzelstaaten zu bewirken
sind und die Zahlungen, die sie an das Reich in Erfüllung ihrer
reichs-verfassungsmässigen Pflichten zu leisten haben. Freilich
geschieht dies nicht darum, weil an irgend einem Punkte die
Bestimmungen der Einzelstaatsverfassungen über das Budget-
gesetz rechtlich irrelevante, nur „formelle“ Gesetze sind, son-
dern aus dem Grunde, weil, wie jedes partikulare Verfassungs-
gesetz das einfache Gesetz, so das Reichsrecht jedes Landes-
recht bricht. Die verfassungsmässigen Pflichten der Einzel-
staaten gegen das Reich sind nirgends und an keinem Punkte
bedingt durch das Landesrecht. Jede partikulare Verfassungs-
bestimmung, sofern und soweit sie der Erfüllung jener Pflich-
ten entgegensteht, ist ohne rechtliche Geltung. Nur die aus
der partikularen Verfassung folgende konstitutionelle Verant-
wortlichkeit für die Budgetlosigkeit als solche und abgesehn
von der Rechtmässigkeit der reichsrechtlich geforderten Finanz-
massregeln bleibt unberührt.
Unberührt von dieser Modifikation bleibt denn auch das
letzte Endergebniss, auf welches alle diese Erörterungen
hinzielen.
Auch das Budgetgesetz duldet und fordert eine
rechtliche Konstruktion, die das Gesetz Gesetz im
vollen, einheitlichen Sinne sein und bleiben lässt.
Der Versuch, auf das Budgetgesetz gerade den Unterschied
des Gesetzes im formellen und materiellen Sinne anzuwenden,
hat geführt und musste führen zu einer Verleugnung oberster,
unbestreitbarer und mit offenen Gründen nicht bestrittener
Rechtsgrundsätze über die rechtliche Bedeutung und die recht-
liche Kraft des obersten Gesetzes des Staates, der Verfassung.
Es bleibt der Satz auch in seiner Anwendung auf das
Budgetgesetz bestehn:
Die Form des Gesetzes hat den Rechtssatz
zu dem ihr nothwendigen Inhalt.
Druck von Pöschel & Trepte in Leipzig.