Gesetzgebung und vollziehende Gewalt. 43
die Redaktion der Reichsverfassung wieder beseitigt hat.
Ueberdies hat die Gesetzgebung in zahlreichen Fällen dem
Kaiser den Erlass von gesetzesvertretenden Verordnungen mit
Zustimmung des Bundesrathes oder im Einvernehmen mit
demselben überlassen, die wiederum selbstverständlich die
Initiative des Kaisers bei dem Bundesrath voraussetzen.
Ebenso gilt es als ein selbstverständliches und unbestreit-
bares Recht des Reichskanzlers und seiner Vertreter, Zutritt
und Gehör im Reichstage zu haben, nicht in ihrer Eigenschaft
als preussische Bevollmächtigte oder Kommissare des Bundes-
rathes, sondern als kaiserliche Beamte zur Vertretung der
selbständigen Politik des Reiches.
Mit beiden Wendungen ist zugleich eine erweiterte Grund-
lage für die konstitutionelle Verantwortlichkeit des Reichs-
kanzlers gegeben. Er hat den Gang der Reichsgesetzgebung
insoweit zu vertreten, als derselbe durch eine sachgemässe
Benutzung der kaiserlichen Initiative im Bundesrathe be-
dingt ist.
Zu einer ganz eigenthümlichen, noch heute nicht abge-
klärten Entwicklung führt die Frage nach einer kaiserlichen
Sanktion und Veto. Sie hat an Artikel 17 des Entwurfs
(jetzt 16) angeknüpft, welcher lautete:
„Das Präsidium hat die erforderlichen Vorlagen nach
Massgabe der Beschlüsse des Bundesrathes an den Reichstag
zu bringen, wo sie durch Mitglieder des Bundesrathes oder
durch besondere von letzterem zu ernennende Kommissarien
vertreten werden.“
Mit den Worten „hat — zu bringen“ ist die Pflicht
des Präsidiums scharf markirt. In der Bestimmung, dass die
Vertretung der Vorlage durch Mitglieder oder durch besondere
Kommissarien des Bundesrathes erfolgen soll, in den — durch
die verbündeten Regierungen dem preussischen Entwurfe ein-
gefügten — Worten „nach Massgabe der Beschlüsse des Bun-
desrathes“ tritt der Gedanke klar hervor, dass dem Beschlusse
des Bundesrathes die rechtliche Kraft der Initiative beige-
messen wird. Für das „Präsidium“ bleibt nur die formale