Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Zweiter Band. (2)

48 Gesetzgebung und vollziehende Gewalt. 
schaften in dem Recht zur Initiative begründen. Während 
dem Reichstage gegenüber dem Bundesrathe die Initiative 
ungehemmt, lediglich unter der geschäftsleitenden Vermittelung 
des Präsidenten des Reichstages einerseits und des Reichs 
kanzlers, als Präsidenten des Bundesrathes, andererseits zu- 
steht, ist die Initiative des Bundesrathes gegenüber dem 
Reichstage schon jetzt durch die formelle Initiative des Kaiser: 
gebrochen. Sie würde materiell einfach vernichtet, wenn den 
Kaiser das Recht zustände, jeden Gesetzesvorschlag des Bun- 
desrathes von der Beschlussfassung des Reichstages auszu- 
schliessen. Die Beschlüsse des Bundesrathes über Gesetzent- 
würfe, die aus seiner Mitte hervorgehen, würden nicht die 
rechtliche Kraft gleichartiger Beschlüsse des Reichstages be- 
sitzen, den Prozess der Gesetzesentstehung selbständig in Be- 
wegung zu setzen, sondern auf die Bedeutung eines Antrages 
bei dem Kaiser zu dessen freier Entscheidung herabgedrückt. 
Eine solche Absicht hat dem a. 16 nicht zu Grunde gelegen; 
sie ist mit dem Gewichte der Worte „nach Massgabe der Be- 
schlüsse des Bundesrathes“, die unter jener Voraussetzung in 
die andern „nach erfolgter Zustimmung“ übersetzt werden 
müssten, nicht vereinbar. 
Hiernach hat denn aber auch der Reichskanzler den 
materiellen Inhalt der vom Bundesrath beschlossenen Gesetzes- 
entwürfe, soweit sie nicht mit einer kaiserlichen Vorlage über- 
einstimmen, unter seiner Verantwortlichkeit nicht zu vertreten. 
Seine Gegenzeichnung ermöglicht dem Kaiser nur die Erfüllung 
einer verfassungsmässigen Pflicht und nur hierfür ist der 
Reichskanzler verantwortlich. Er kann sich nicht unter Be- 
rufung auf diese Verantwortlichkeit weigern, eine rechtsgültig 
beschlossene Vorlage an den Reichstag zu bringen. Zweifellos 
allerdings ist es ihm gestattet, wie jeden andern Grund, so 
auch die Nichtübereinstimmung seiner politischen Auffassung 
mit seiner Pflicht zur Vorlegung zum Motive zu nehmen, um 
die Entlassung vom Amte zu fordern, aber er kann die Nicht- 
einbringung in den Reichstag nicht zur Bedingung seines 
Bleibens machen.
	        
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