Das Verordnungsrecht des Kaisers und des Bundesrathes. 83
verneinen. Allerdings enthält die solchergestalt vom Bundes-
rathe beschlossene Verordnung keine Verletzung des parti-
kularen Gesetzgebungsrechtes, allein sie hat für ihre Rechts-
gültigkeit nicht diese, sondern die andere Probe zu bestehen,
ob sie, weil thatsächlich von einem Organe des Reiches be-
schlossen, nicht einen Einbruch in das Gebiet der Reichs-
gesetzgebung, insbesondere also in das verfassungsmässige
Recht des Reichstages enthält. Denn ist dies der Fall,
dann ist sie trotz der übereinstimmenden Lage des Par-
tikularrechtes rechtsungültig, dann bindet der Beschluss des
Bundesrathes die Minorität nicht. Ja selbst die freiwillige
Unterwerfung aller Bundesregierungen vermag die Rechts-
gültigkeit des Bundesrathsbeschlusses nicht zu heilen; denn
was. die Einzelregierungen, jede für sich, allerdings rechts-
gültig verordnen können, das können sie nicht durch Her-
beiführung eines Bundesrathsbeschlusses in fraudem legis, in
Umgehung und Schmälerung nämlich der verfassungsmäs-
sigen Rechte des Reichstages. Nur in dem einen Falle muss
die erborgte Kompetenz des Bundesrathes anerkannt und die
Rechtsgültigkeit seines Beschlusses aufrechterhalten werden,
wenn die Verfassung selbst diesen anormalen Weg vorschreibt.
Und gerade dies trifft für das Eisenbahnwesen zu. Denn
schärfer und nachdrücklicher, als es in den Artikeln 42 bis 44
geschieht, vermag es nicht gesagt zu werden, dass, solange
die Reichsgesetzgebung nicht eingreift, die Eisenbahnverwaltung,
einschliesslich des Verordnungsrechtes innerhalb der Rechts-
sphäre der Einzelstaaten verbleiben soll, dass es nur die Auf-
gabe des Reiches ist, die Einheitlichkeit, Uebereinstimmung,
Gleichheit in der Handhabung dieser Verwaltung und dieses
Verordnungsrechtes herbeizuführen. Gesteht man, wie be-
rechtigt ist, diese Aufgabe speziell dem Bundesrathe zu, dann
haben die zutreffenden Beschlüsse desselben über jene Eisen-
bahnreglements nach Wortlaut und Absicht der Verfassung
nur die Bedeutung, das den Einzelstaaten zustehende Verord-
nungsrecht in einheitlicher Weise zu leiten; dann treten jene
Reglements weder in Widerspruch mit der Reichsgesetzgebung,
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