Das Verordnungsrecht des Kaisers und des Bundesrathes. 91
Aussen und Rechtsverbindlichkeit gegenüber den gehorsam-
pflichtigen Organen und Unterthanen des Reiches gewinnen
sollte und konnte.
Nur gegen den Zusammenhang der Verfassungsbestim-
mungen, auf die man eine Analogie überhaupt stützen konnte,
nur unter Verschiebung und Durchbrechung der organischen
Stellung der Machthaber des Reiches zu einander hat sich in
längerer Dauer und von den zuständigen Autoritäten unwider-
sprochen eine rechtliche Uebung gebildet, welche dem Bun-
desrathe das Recht zuspricht, seine gesetzvertretenden Ver-
ordnungen durch die Bekanntmachung seines Vorsitzenden im
Reichsgesetzblatte mit unmittelbarer Rechtswirksamkeit aus-
zustatten.
Und dieses Verfahren, dessen politisches und rechtliches
Gewicht bedeutsam genug ist, ist nicht einmal mit Gleich-
mässigkeit und Stetigkeit gehandhabt worden. Das tritt ins-
besondere seit dem Erscheinen des „Centralblattes für
das deutsche Reich“ (1873) hervor, eines Blattes, was nur das
ist, was es nach seiner Ankündigung sein wollte, eine „Zeit-
schrift“, herausgegeben durch das Reichskanzleramt (Reichsamt
des Innern), „welche zur Aufnahme solcher für das Publikum
bestimmter Veröffentlichungen der Organe des Reiches dienen
soll, die der Verkündigung durch das Reichsgesetzblatt nach
Artikel 2 der Reichsverfassung und nach der Verordnung vom
26. Juli 1867 nicht bedürfen.“ Es bedarf keines Nachweises,
dass den Veröffentlichungen einer solchen Zeitschrift schlechter-
dings nicht die Kraft einer Verkündigung beiwohnt, dass ihren
Abdrücken keinerlei verpflichtende Beglaubigung der Authen-
ticität beiwohnt, dass zu ihrer Kenntnissnahme keinerlei Rechts-
pflicht besteht und dass die thatsächliche Kenntniss ihrer
Veröffentlichungen keinerlei Gehorsamspflichten erzeugt. Um
dies alles zu bewirken, bedürfte es eines Gesetzes oder doch
einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Verordnung.
! Bekanntmachung des Reichskanzleramtes vom 22. Dezember 1872,
Reichsanzeiger Nr. 304.