Full text: Um den Kaiser.

gesprochen deutschfeindlichen Frau Mary, deren Bruder, der Herzog 
von Teck, als Militärattaché bei der englischen Botschaft eine große 
Nolle in der Hofgesellschaft spielte, zu Besuch in der Hofburg. Im 
Jahre darauf folgte ein ganz intimer Besuch des Königs in Ischl, 
1906 wirkte ebenda Eugenie, Erkaiserin der Franzosen, vom Kaiser 
mit ritterlicher Aufmerksamkeit behandelt, mit Erinnerungen an die 
Jeit, da es für die Deutschen nur einen österreichischen Kaiser gab, 
im Sinne einer Abkehr von dem preußischen Deutschland, weshalb 
sie als Sendbotin des Königs galt. Den ersten unzweideutigen 
Versuch, den Kaiser in seiner Bündnistreue wankend zu machen, 
soll der König bei seinem Besuche in Ischl 1907 gemacht haben. 
Gegenüber diesen Gerüchten, die sich nach dem Besuche lgos# wie- 
derholten, empfiehlt sich eine gewisse Vorsicht. Richtig ist, daß 
der König vertrauliche Gespräche unter vier Augen mit dem Kaiser 
gehabt hat und daß der Abschied beide Male ziemlich frostig war. 
Auch mag es zutreffen, daß der Kaiser die Beflissenheit des Königs 
als Verlockungsversuch aufgefaßt und gelegentlich ein entrüstetes 
Wort darüber hat fallen lassen. Für den Inhalt der Zusicherungen 
und Zumutungen des Königs fehlt jedoch ein sicherer Anhalt. Wenig- 
stens glaube ich nicht, daß in den Akten des auswärtigen Amtes ein 
solcher zu finden ist. Die Gerüchte rührten aus den feudalen Krei- 
sen in Wien her, und man hatte in Berlin den Eindruck, daß dabei 
die mit der allgemeinen überheblichen Auffassung dieser Kreise über- 
einstimmende Tendenz mitspielte, die Dankesschuld an Osterreich 
recht groß erscheinen zu lassen 1). 
Von Ischl begab sich der König 1907 nach Marienbad, wo 
er am 21. August den dort anwesenden französischen Ministerprä- 
sidenten Clemenceau zu Tische lud, um ihn von den Ergebnissen sei- 
1) Die äußerlichen Vorgänge bei den Wiener und Ischler Besuchen des 
Königs sind von einer Perssnlichkeit aus der nächsten Umgebung des Kaisers in 
Danzers Armeczeitung vom 30. Jannar 1919 geschildert. Über den Inhalt der 
intimen Gespräche enthält die Darstellung nichts Bestimmtes, es sei denn die 
Bemerkung Hardinges am Ende der Begegnung von 1908: A grand old man 
throughout, the emperor, a capital fellow, though perhaps he missed just now 
one of his long liles best opportunilies. 
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