In Berlin glaubte man damals genügenden Anhalt dafür zu
haben, daß in Reval den Russen empfohlen worden war, sich mit
Beschleunigung wieder militärisch stark zu machen. Alsbald nach
der Revaler Zusammenkunft wurde in einem westfälischen Blatte
von einer alarmierenden Rede berichtet, die der Kaiser in Döberitz
gehalten hätte. Zum Gedächtnis an den Vorbeimarsch einer von dem
Kronprinzen Wilhelm geführten Brigade vor dem todkranken Kairer
Friedrich auf der Rampe des Charlottenburger Schlosses pflegte der
Kaiser Wilhelm eine Parade der damals von ihm vorgeführten
Brigade abzuhalten. So auch am 29. Mai lgos auf dem Döberitzer
Ubungsplatze. In der nur für die versammelten Offiziere be-
stimmten Ansprache hieß es nach dem Zeitungsbericht: es scheine,
als ob man Deutschland einkreisen wolle, „sie mögen nur kommen,
sie werden uns bereit finden“. Die Angabe wurde in der Nord-
deutschen Allgemeinen Zeitung nicht in Abrede gestellt, sondern
nur in Zweifel gezogen und darum erst recht geglaubt. Unter vielen,
namentlich französischen und englischen Kommentaren, befand sich
in einzelnen liberalen englischen Blättern auch der Gedanke, es
sei bedenklich gewesen, daß König Eduard den Admiral Fisher
und den General French mit nach Reval genommen habe, weil
dadurch der Eindruck einer aktiven antideutschen Bündniopolitik
des Königs hervorgerufen worden sei; wer den Frieden wolle, dürfe
auch nicht den Schein erwecken, eine Großmacht, obendrein die
militärisch stärkste, einengen zu wollen.
Unter den wichtigen Fragen, die in Reval von den beiden
Herrschern und zwischen Hardinge und Iswolski besprochen wurden,
stand obenan das mazedonische Reformprogramm, das auf
eine neue internationale Kontrolle über die inneren Zustände der von
Türken, Bulgaren, Serben und Griechen bewohnten und durch fort-
gesetzte Kämpfe unter den verschiedenen Nationalitäten zerrütteten
Provinz Mazedonien hinaus lief. Den äußeren Anstoß zu dieser
Verständigung hatte die Ankündigung des österreichisch-ungarischen
Ministers des Auswärtigen, Baron Aehrenthal, in den Delegationen
Anfang 1908 gegeben, daß geplant sei, die bosnische Eisenbahn von
Uwatsch bis Mitrowitza durch den Sandschak Nowibasar zu ver-
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