Über die Zusammenkünfte des Königs Eduard mit dem Deut-
schen Kaiser in Friedrichshof am 11. August 1908 und mit dem
Kaiser Franz Joseph in Ischl am Tage darauf berichtete der
belgische Vertreter in Wien Ende August an seine Regierung:
„Wie ich aus guter Quelle erfahren habe, war König Eduard
in bester Stimmung nach Kronberg gefahren, hat es aber unzu-
frieden verlassen. Seine Majestät fragte den Kaiser, ob er nicht
angesichts des allgemeinen Friedenswunsches den Zeitpunkt für ge-
kommen erachte, um die Rüstungen einzuschränken. Wilhelm II.
hätte geantwortet, davon könnte nicht die Rede sein, wenigstens
was Deutschland angehe, dieses hätte keinen Grund, seine Rüstungen
zu verringern und überdies lägen Verpflichtungen gegenüber der
Nation vor. Aus diesen Worten hätte König Eduard geschlossen,
daß England bedroht wäre und sich nicht überrumpeln lassen dürfte.
Der Kaiser Franz Joseph habe zwar dem König einen feierlichen
Empfang bereitet, ihm aber zu verstehen gegeben, daß er über die
Haltung Englands in der Frage der Sandschakbahn, sein Abschwenken
nach der russischen Seite, erstaunt gewesen wärc, da er und seine
Regierung sich doch immer befleißigt hätten, nichts zu unternehmen,
was England mißfallen könnte. Der König habe entgegnet, das
Kabinett von St. James hegte keinen für Österreich-Ungarn un-
freundlichen Hintergedanken, aber wegen der deutschen Rüstungen
müßte es doch auf der Hut sein, und in Neval hätte er nicht
verfehlt, den Kaiser von Rußland von seinen Befürchtungen zu
unterrichten. Schließlich bat er Franz Joseph, zwischen Berlin und
London zu vermitteln. Franz Joseph hätte um Bedenkzeit gebeten.“
Der belgische Bericht berief sich sodann auf einen Bericht der Wiener
Allgemeinen Zeitung, der ungefähr dasselbe über das Kronberger
Gespräch, die ziemlich kategorische Ablehnung des englischen Vor-
schlages, die Flottenrüstungen einzustellen, enthielt und dessen Ge-
währsmann der französische Minisierpräsident Clömenceau wart!).
Unrichtig ist an dieser Darstellung, daß der König selbst die
Flottenfrage in seinen Kronberger Gesprächen mit dem Kaiser an-
geschnitten hätte. Er mochte es ursprünglich beabsichtigt, dann aber
1) Zur europäischen Politik 1897—1914, Bd. 3, S. 9 und 92.
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