128 Hans v. Frisch, Die Stellung der Fremden.
auf Aufenthalt ist auch dann nicht die Rede, wenn in Staatsverträgen wechselseitig den Angehörigen
ein Wohnrecht zugesichert wird; ®) in der neueren Literatur wird allerdings aus der in den Verträgen
gewählten Formulierung vereinzelt ein Recht der Einzelnen auf Niederlassung und Aufenthalt
konstruiert®), was mir aber nicht zulässig erscheint; ich kann eine weitergehende Beschränkung
des Ausweisungsrechtes als die durch das gemeine Völkerrecht gegebene in diesen Vertragsbestim-
mungen nicht sehen. ®)
Vorübergehende Ausweisung sämtlicher Angehörigen eines fremden Staates (Xenelasie) z. B.
während einesKrieges ist völkerrechtlich zulässig, wird aber als „barbarisch“ empfunden.®) Das be-
kannteste Beispiel aus neuerer Zeit ist die Ausweisung der Deutschen ausFrankreich im Jahre1870.®*).
Normalerweise kann also jedermann fremdes Staatsgebiet, in der Regel formlos *") betreten
und sich vorübergehend oder dauernd im fremden Staate aufhalten. -) Für die rechtliche Stellung
der Fremden kann im allgemeinen ®*) als massgebend gelten: Im Privatrecht ist der Fremde den
Staatsangehörigen gleichgestellt, wenn nicht durch Gesetze eine Ausnahme gemacht ist; im öffent-
lichen Recht gilt das entgegengesetzte Prinzip, Ausländer haben an den Rechten keinen Anteil,
wenn ihnen ein solcher nicht ausdrücklich zugesprochen wird; hier ist also Regel, was dort Aus-
nahme ist, und umgekehrt.) Dieses Prinzip wird durch Ausnahmen, die esnach beiden Richtungen
hin gibt und wahrscheinlich immer geben wird, nicht erschüttert.
Im Privatrecht wird die Gleichstellung in der Regel unter dem Vorbehalt der Reziprozität
gewährt.) Ausnahmen von der Gleichstellung finden sich in den meisten Staaten ziemlich überein-
stimmend für gewisse Handelsbetriebe und Gewerbe. ?®) Im öffentlichen Recht handelt es sich vor-
nehmlich um die Ausübung der politischen Rechte,®) die den Fremden nur in sehr seltenen Fällen
zukommt, denn man sieht hierin eine Tätigkeit, die eine innige Verknüpfung mit dem Staat
sammlung noch an das Bundesgericht könne Berufung eingelegt werden. Vergl. v.Salis, Schweizerisches Bundes-
recht II. No. 276, 622; IV. No. 2036, 2049 S. 675 Anm. 2. Langhard, Die politische Polizei der schweizerischen
Eidgenossenschaft S. 324 ff. Zulässig sind Rekurse in einzelnen deutschen Staaten (Preussen, Landesver-
weltungsgesetz vom 30. Juli 1883, $5 127,130. Baden, (Gesetz vom 5. Mai 1870, 52) in Österreich (Gesetz
vom 27. Juli 1871, $ 7) und der Niederlande (Gesetz vom 13. August 1847, Art. 20).
22) Der deutsch-niederländische Vertrag von 1904 sagt in Art. 1: „Die Angehörigen jedes vertragschlies-
senden Teiles sollen berechtigt sein, sich in dem Gebiete des anderen Teiles ständig niederzulassen oder dauernd
oder zeitweilig aufzuhalten, wenn und solange sie die dortigen Gesetze und Polizeiverordnungen befolgen.‘ Ähn-
lich der deutsch-schweizerische Niederlassungevertrag von 1890, Art. 1.
®) Aus der Literatur über diese Frage sei hervorgehoben: La band, Stastsrecht des deutschen Reiches,
1.S. 141 Anm. 1. Affolter, Der deutsch-schweizerische Niederlassungsvertrag. Archiv für öffentliches Recht
VI.S.378 ff. v.Overbceck,a.2.0.8.37ff. Heinrichs, Deutsche Niederlassungsverträge und Über-
nahmesbkommen S, 4.
2) Eingehend habe ich die Frag: in meinem „Fremdenrecht‘ S. 129 ff. untersucht,
26) So sohon die Hellenen. Strabo XVII. S. 802.
2) Lueder,inv. Heltzendortffe Hondbuchdes Völkerreohts IV. S.349 ff.v.Martens, Völker-
recht II, S. 497.
2”) Passzwang k a nn von jedem Staate wieder eingeführt werden, w:e esz. B. vorübergehend von Deutaoh-
land im Jahre 1888 gegen Frankreich geschab. Vergl. Ullmann, Völkerrecht (das öffentliche Recht der Gegen-
wert III.) S. 365 Anm. 1.
22) Der Untersohied zwischen Niederlassung und Aufenthalt ist ein tatsächlicher, an den die Gesetze bis-
weilen anknüpfen, ohne dass der Untersch'ed von ihnen bestimmt wird. Vergl. Laband, a... 0.1. S. 156.
v. Frisoh, a. se. O. S. 119 ff
29) Spezialgesetzeund Stasteverträge begründen singuläres Recht und gehen demgemeinen Hölkerreoht vor.
0) Der Versuch einer historischen Erklärung dieses Prinzipes bei v. Frisoh, a. a. O.S. 115 ff.
3) Im italienischen Zivilgesetzbuche von 1866 iet die Gleichstellung nicht mehr von der Fresiprenitat
obhängig gemacht. Ullmann, e. a. O. S. 366.
#2) Die häufigsten Ausnahmen bestehen für die Küstenfischerei, Küstenschiffahrt, das Hausiergewerbe
und einige andere Gewerbe. Auch der Erwerb und Besitz von Grundstücken wird noch vereinzelt beschränkt.
3%) Über den Begriff vergl. Jellinek, System der subjektiven öffentliohen Rechte S.136. Meyer-
Anscohütz, Lehrbuch des deutschen Staatarechts S. 7092. Ansohütz, Deutsches Staatarecht, in
v. Holtzendorff’sEnzyklopädiell, S. 633.