Hans v. Frisch, Die Stellung der Fremden. 129
und ein Interesse an seinem Leben und Wirken voraussetzt, ®) jene Tätigkeit der Bürger, in der
die alten Hellenen die Freiheit erblickten. ®)
So gilt also nach heutigem Recht für die Fremden das Territorialprinzip; wer fremdes Staats-
gebiet betritt, unterwirft sich mit dieser Tatsache den Gesetzen des Aufenthaltsstaates, nach denen
seine Handlungen beurteilt, seine Rechte und Pflichten bemessen werden. Auf verschiedenen Wegen,
verschieden rasch ist der Fremde von der ehemaligen absoluten Rechtlosigkeit bis zu nahezu
vollständiger Gleichberechtigung fortgeschritten. Zahlreiche Gesetze und Verträge regeln heute
seine Rechtsstellung, wozu Praxis und Gewohnheitsrecht ergänzend hinzutreten. Der Prozess
scheint aber noch keineswegs abgeschlossen zu sein und manche Frage bedarf noch der Klärung.
Von einem gänzlichen Schwinden der staatlichen Grenzen, von einer vollständigen Gleichstellung der
In- und Ausländer sind wir aber weit entfernt ?®*) und werden dies auch — ich glaube zum Wohl der
Menschheit — nicht so bald erreichen. Schon das Nationalbewusstsein sträubt sich gegen das all-
gemeine Weltbürgertum.
*) Von dem Prinzip, dass die Staatsangehörigkeit Voraussetzung für die Ausübung politischer Rechte
sei, gelten A ächst in einzelnen Bundesstaaten für Bundesangehörige, z. B. in der Sch wei z(Bundes-
verf. Art.43 al.4 und 5). In deutschen Staaten sind Ausnahmen partikularrechtlich nur vereinzelt vorhanden
(z. B. Baden, Gemeindeordnung $$ 9a, 12. Städteordnung $$ 7a, 12, 13). Während in diesen beiden Bundes-
staaten Bundes-Ausländer prinzipiell von politischen Rechten ausgeschlossen sind, hat die nordamerika-
nische Union die Regelung der Frage den Einzeletaaten überlassen und viele derselben haben auch Nicht-
Amerikanern politische Rechte zugesprochen. In anderen Staaten sind solche Fälle ausserordentlich selten und
immer von un ergeordneter Bedeutung.
®) Eine schwierige Frage, die nicht einheitlich zu beantworten ist, ist die nach der Geltung der sogenannten
Freiheitsreohte für Fremde. Sie lässt sich nur auf Grund der einzelnen Staatsverfassungen beantworten.
Seit der französischen Charts von 1814 etatuieren die Verfassungen meist „Rechte der Staatsangehörigen“‘, nicht
„Menschenrechte‘, Vergl. darüber Demangeat, Histoire de la constitution civile des ötrangers en France.
Weiss, Traits theorique et pratique du d oit international prive II. 8.84 If. Fuzier-Herman, Repertoire
generale du droit francais XXI. S. 108f., 113. v. Roenne-Zorn, Dis Staatsreoht der preussischen
Monarchie II. S. 150£. v. Frisch, Fremdenrecht, Kap. VIII, IX, X.
°) Die im letzten Jahrhundert erfolgte schärfere Ausprägung und allgemeine Anerkennung einzelner
moderner Rechtssätze wie z. B. der Regel von der Nicht-Auslieferung und Nicht-Ausweisung der eigenen Staats-
angehörigen epricht dafür, dass die auf Gleichstellung abzielende Bewegung ins Stocken geraten ist. Auch einzelne
Staatsangehörigkeitag, suchen die Grenzen zwischen In- und Ausländern wieder schärfer zu ziehen.
Handbuch der Politik. IT. Auflage. Band I. 9