Wilhelm von Blume, Kommunalpolitik. 995
der gute Wille nur zu leicht erlahmt und das Ausscheiden eines einzigen leitenden und führenden
Mitgliedes ein völliges Aufhören der Tätigkeit des Vereines herbeiführen kann. Dazu kommt die
Gefahr der Kräfte-Zersplitterung, ja des Gegeneinanderarbeitens der Vereine.
Aber die Nachteile können wesentlich gemindeıt, ja behoben und somit die Vorteile dieser
gemeinnützigen Organisation zur uneingeschränkten Geltung gebracht werden, indem eine Angliede-
rung der Privatvereine an öffentlichrechtliche Körperschaften vorgenommen wird. Sie kann in
doppelter Form erfolgen: durch Herstellung einer Personalunion oder durch Schaffung einer öffent-
lichen Zentralstelle. Kommt eine finanzielle Unterstützung hinzu, so ist damit eine besonders wirk-
same Grundlage für die Herstellung eines Einflusses auf die Verwaltung des Vereins gegeben.
Auf ähnlichen Gedankengängen beruht es, wenn in neuerer Zeit öffentliche Körper-
schaften, insbesondere Gemeinden, dazu übergegangen sind, ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse
in deı Weise zu befriedigen, dass sie sich durch Beteiligung einen massgebenden Einfluss auf
Aktien-Gesellschaften sichern und auf diese Weise die Vorteile, die eine privatrechtliche Ver-
waltung von Strassenbahnen, Elektrizitätswerken, Bergwerken bietet, zu erhalten und die
Nachteile auszuschliessen suchen. (,Gemischt-öffentliche Betriebe“.)
Dass diese Verknüpfung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher
Organisation und Autonomie in manchen Fällen zu empfehlen ist, dürfte aus dem
Gesagten hervorgehen. Es darf aber nicht aus dem Auge gelassen werden, dass eine über-
mässige Benutzung dieser Rechtsform dieselbe Gefahr mit sich bringt wie eine übermässige
Verselbständigung der im Staate lebenden Körperschaften öffentlichen Rechts: die Gefahr,
dass die Dezentralisation zur Zerreissung führe. Alle Kraftentfaltung im Staate daıf nur den
Zwecke des Gemeinwohls der Staatsbürger dienen. Unter diesen Gesichtspunkt allein ist auch
die Frage zu beantworten, wie die Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung der Körper-
schaften zweckmässig zu organisieren ist.
c) Kommunalpolitik.
Von
Dr. Wilhelm von Blume,
0. Professor der Rechte an der Universität Tübingen.
Literaturs
H. Lindemann, Städteverwaltung und Munizipalsozialismus in England, 1897. K. Bücher,
Die wirtschaftlichen Aufgaben der modernen Stadtgemeinde, 1898. A. Damaschke, Aufgaben der
Gemeindepolitik (6. Aufl.) 1913. Adickes und Beutler, die sozialen Aufgaben der deutschen Städte,
1909. H. Lindemann, Die deutsche Städteverwaltung (2. Aufl) 1906. K. v. Mangoldt, Die
städtische Bodenfrage, 190”. R. Eborstadt, Handbuch des Wohnungswesens und der Wohnungsfrage
(2. Aufl.) 1910. Pohle, Die Wohnungsfrage. 1910. Thissen-Trimborn, Soziale Tatigkeit der Stadt-
meinden, 1910. A. Riess, Kommunale Wirtschaftspflege, 1911. Schriften des Vereins für Sozialpolitik
. 128, 129: Gemeindebetriebe. Most, Die deutsche Stadt und ihre Verwaltung, 1913.
Kommunalverbände nennen wir Gemeinwesen auf territorialer Grundlage (Gebiets-
körperschaften) unter staatlicher Hoheit. Kommunalpolitik ist also Politik des kom-
munalen Gemeinwesens; sie sucht nach dessen Aufgaben und den Mitteln zu ihrer
Verwirklichung. Die Aufgaben ergeben sich, wenn man die Stellung der kom-
Handbach der Politik. II. Auflage. Band I. 15