Full text: Handbuch der Politik. Erster Band. (1)

Wilnelm von Blume, Kommunalpolitik. 297 
  
der Selbstregierung der Regierten. Und so liegt die grosse Bedeutung der Gemeinde für 
die Zukunft des Gemeinwesens eben darin, dass sie in der Lage ist zu sozialisieren, ohne 
die einzelne Persönlichkeit auszuscha;ten, dass sie in der Lage ist, an die Stelle einer büro- 
kratischen Regierungsmaschinerie eine lebendige Verwaltungstätigkeit zu setzen. Eine 
richtig orientierte Kommunalpolitik wird daher in erster Lin:!e darauf sehen müssen, den 
Gedanken der Selbstverwaltung in dem eben angegebenen Sinne zu möglichster Vollendung 
zu bringen, aber auch weiterhin die Selbstverwaltung in dem anderen Sinne zu wahren, 
dass die Gemeinde in ihrer gesetzgeberischen und Verwaltungstätigkeit von der Staats- 
verwaltung nicht gegängelt oder gar unterdrückt werde. Die Komnunalpolitik wird zwar 
stets unter der Aufsicht der Staatsverwaltung in die Wirklichkeit umgesetzt werden müssen, 
aber die besondere Bedeutung der Kommunaltätigkeit würde mit dem Augenblick ver- 
schwinden, wo die Staatsaufsicht zu einer Bevormundung der Gemeinden würde. Denn 
dann würde eben jene besondere Stellung des Einzelnen zur Verwaltung beseitigt werden, 
kraft deren er in der Gemeinde seine eıgenen Angelegenheiten selbst verwaltet. 
Was die Aufgaben der Kommunalpolitik ira einzelnen betriff, so wird 
jeder der Kommunalverbände zunächst bestrebt sein müssen, das Gebiet richtig abzu- 
enzen, und zwar unter dem Gesichtspunkte, dass es sich um einen Verband handelt, der 
urch eine Interessengemeinschaft zusammengehalten wird. Diese Interessengemeinschaft 
wird zumeist historisch begründet sein und ihren Ausdruck in einer historischen Rechts- 
gemeinschaft gefunden haben; es können aber auch neue Interessengemeinschaften nach 
neuer Verbindung drängen und in einen Widerspruch treten zu historisch gewordenen 
Organisationen; es kann sich ergeben, dass ein grösserer Bezirk überwiegend landwirtschaft- 
licher Art sich isoliert findet in einem industriellen Kommunal-Verbande, während benachbart 
andere landwirtschaftliche Bezirke liegen, mit denen er sich näher verbunden fühlt als mit 
den Orten, die jetzt einen gemeinschaftlichen Bezirk mit ihm bilden. Häufig genug auch 
wird sich ergeben, und die riesenhafte Entwicklung unserer Grossstädte zeigt diese Er- 
scheinung in immer neuen Formen, dass ländliche Bezirke von städtischen Bezirken wirt- 
schaftlich aufgesogen werden, so dass notwendig der städtische Bezirk nach einer recht- 
lichen Vereinigung mit dem Vororte drängt. Häufig auch wird sich zeigen, dass kom- 
munale Aufgaben, die von einem einzelnen Gemeinwesen nicht hinreichend erledigt 
werden können, erst in einem grösseren Verbande für mehrere gemeinschaftlich be- 
sorgt werden müssen. Die Entwicklung des Verkehrswesens, die Entwicklung des 
Baieuchtungswesens, ja sogar die Entwicklung der Hygiene können dahin führen, dass 
kowrounale Verbände sich zweckmässig zu einem grösseren Verbande zusammenschliessen, 
um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Ihnen diese Möglichkeit zu gewähren, ist eine Auf- 
gabe der staatlichen Gesetzgebungspolitik, die gewährte Möglichkeit richtig zu benutzen, 
ist die Aufgabe einer richtig geleiteten Kommunalpolitik. Dabei darf aber nicht ausser 
Acht gelassen werden, dass eben der Gedanke, der überhaupt die Selbständigkeit der Ge- 
meinden und anderer Kommunalverbände rechtfertigt, dahin führen muss, nach Möglichkeit 
die bestehenden Gemeinwesen in ihrer Selbständigkeit zu schonen, und dass nicht ein blindes 
Streben nach Schaffung möglichst grosser Verbände dahin führen darf, Werte zu vernichten, 
die in der kommunalen Organisation des einzelnen Gemeinwesens vorhanden sind. 
Unter den Interessen, die zu einer kommunalen Vereinigung zwingen können, stehen im Vor- 
dergrunde solche der Bodenpolitik, d. h. die Interessen der Gestaltung des Verhältnisses 
der Gemeinde zu dem Grund und Boden, auf dem ihre Einwobner heimisch sind. Die 
Bodenpolitik der Gemeinden wird diktiert von zwei Rücksichten. Zunächst von der Rück- 
sicht auf die Unterbringung ihrer Einwohner, die Wohnungsfrage, und sodann von der 
Rücksicht auf die Steuerkraft ihrer Einwohner, die Finanzfrage. Es kann keinem Zweifel 
unterliegen, dass die Aufgabe der Besiedlung des Grundes und Bodens, da es sich bei der 
Gemeinde um eine gemeinschaftliche Besiedlung handelt, schlechthin zu den Gemeinde- 
aufgaben gehört. Die Besiedlung kann in einer den öffentlichen Interessen dienenden 
Art nur dann ausgeführt werden, wenn die Anlegung der erforderlichen Strassen und Plätze 
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