934 Georg von Mayr, Statistik und Politik, insbesondere Verwaltungsstatistik.
Allerdings hängt, wie überall in der Verwaltung, insbesondere in der Gemeinde-
verwaltung, das richtige Verfahren zunächst ab von der richtigen Organisation. Die
Fehler unserer Staatswirtschaft, zumal der Staats-Geldwirtschaft sind zu nicht geringen
Teilen zurückzuführen auf bürokratische Massnahmen, die durch fehlerhafte Einwirkung der
Parlamente gesteigert worden sind, während ein richtiges Zusammenwirken von Berufs-
beamtentum und Vertretern der Selbstverwaltung dahin führen müsste und könnte, dass die
richtigen Gedanken in der öffentlichen Wirtschaft genau so verwirklicht würden wie im
Einzelhaushal. Wenn in den Gemeinden trotz der im ganzen brauchbaren Organisation
der Selbstverwaltung so viel finanzpolitische Fehler gemacht worden sind, so beruht das
darauf, dass nur -zu häufig nicht die richtigen Leute an die richtige Stelle gekommen
sind, wobei manche veralteten Bestimmungen unserer Städte- und Gemeindeordnung, insbe-
sondere die mit der Entwicklung der Wohnungsverhältnisse ganz und gar nicht mehr in
Einklang stehende Bevorzugung der Hausbesitzer, einen recht ungünstigen Einfluss ausgeübt
haben. Es muss durch die Gestaltung der Organisation darauf hingewirkt werden, dass das
Verantwortlichkeitsgefühl des Beamten durch die Mitwirkung der Vertreter der Bürgerschaft
nieht gelähmt, sondern gesteigert werde, und, dass ein vertrauensvolles Zusammenwirken
beider Arten von Regierenden die in unserem Beamtentum wie die in unserer Bürgerschaft
vorhandenen Kräfte zur richtigen Entfaltung bringe. Diejenige Organisationsform in der
Kommunalverwaltung, in der dieses Ziel weitaus am besten erreicht worden ist, ist zweifellos
die Verwaltungsdeputation, d. h. ein Organ, bei dem Beamte und Bürger in ständiger
Wechselwirkung und gemeinsamer Verantwortung arbeiten. Eine weitere Entwicklung dieses
Gedankens in unserer Gemeindeverwaltung wird auch den Gemeindefinanzen zugute kommen.
16. Abschnitt.
Statistik und Politik, insbesondere Verwaltungsstatistik.
Von
Kaiserl, Unterstaatssekretär z. D. Dr. Georg von Mayr,
o. Professor der Statistik, Finanzwissenschaft und Nationalökonomie an der Universilät München.
Literatur:
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III. Band Sozialstatistik Lieferung 1 bis 4, 1909 u. 1913). (Mit Band III wird die Moralstatistik zum Abschluss
kommen, Band IV wird als Schlussband die Bildungs- Wirtschafts. und Politische Statistik behandeln). —
G.v. Mayr, Begriff und Gliederung der Staatswissenschaften. 3. Aufl. Tübingen 1910 (Enthält S. 128—160
eine Skizzierung des gesamten Systems der Statistik). — A. Me itzen, Geschichte, Theorie und Technik der
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Statistik und Verwaltung mit besonderer Berücksichtigung der preussischen Verwaltungreform i. Jena 1913. —
J. Conrad, Grundriss zum Studium der politischen Ökonomie IV. 1. Geschichte und Theorie der Statistik. Bevöl-
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. Platzer, Jahrbuch der Statistik, eine internationale Übersicht der statistischen Verwaltung und Wissen-
schaft I. Jahrg. 1909. Strassburg —K. Platzer, Organisation des statistischen Dienstes (Die Statistik in
Deutechland nach ihrem heutigen Stand, Ehrengabe für Georg v. Mayr, herausg. v. Fr. Zahn, München u. Berlin
1911, Band I, S. 148 u. ff... — Wilms, Übor Verwaltung und Statistik (Vortrag in der deutschen statistischen
Gesellschaft 1912) — Al. Kaufmann, Theorie und Methoden dor Statistik. Tübingen 1913. S. 188 u. ff.
‚ ‚Zur Einleitung einer Überschau des Wesens, des Inhalts und der Bedeutung der Verwaltungs-
statistik in diesem Handbuch der Politik ist es wohl angemessen, im allgemeinen die Funktion der