Paul Schoen, Die Verordnungen. 309
bestande dieses Gesetzes abhängig sind. Inhaltlich können sie Anordnungen treffen, welche die
Handhabung des Gesetzes durch die Behörden regeln, oder organisatorische Vorschriften oder
auch Normen aufstellen, die sich an die Regierten richten und deren durch das auszuführende
Gesetz gefordertes Verhalten näher bestimmen. Sie können also materiell Dienstanweisungen,
Orgsnisationsverordnungen oder Rechtsverordnungen sein, wie auch verschiedenen dieser Ver-
ordnungsgruppen gleichzeitig angehören. Soweit sie sich als Dienstanweisungen oder Organi-
sationsverordnungen qualifizieren, gilt von ihrem Erlasse das vorstehend unter 1 “und 2 Bemerkte.
Soweit sie Rechtssätze aufstellen, können sie nur auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Ermäch-
tigung erlassen werden. Eine solche ist aber in den deutschen Einzelstaaten regelmässig bereits
durch die Verfassung dem Landesherrn, und zwar ganz allgemein erteilt, indem sie ihm schlecht-
hin die Befugnis zuspricht, die zur Ausführung der Gesetze nötigen Verordnungen zu erlassen.!®)
Die Reichsverfassung enthält eine derartige allgemeine Ermächtigungsklausel nicht. Benötigt
daher ein Reichsgesetz zu seiner Ausführung einer Rechtssätze aufstellenden Verordnung, so muss
stets das Gesetz selbst die Ermächtigung zum Erlasse solcher Verordnung erteilen; erteilt es diese,
ohne gleichzeitig ein bestimmtes Reichsorgan mit dem Erlasse der Verordnung zu beauftragen, so
steht dieser auf Grund der allgemein für seine Zuständigkeit sprechenden Präsumtion dem Bundes-
rate zu. Ebenso wie zu Reichsgesetzen können auch zu elsass-lothringischen Landesgesetzen
Ausführungsverordnungen, die Rechtsvorschriften enthalten, nur auf Grund spezieller gesetzlicher
Ermächtigung erlassen werden; zuständig zu ihrem Erlasse ist, wenn das ermächtigende Gesetz
nicht anderes bestimmt, der Kaiser. Was aber weiter die Frage anlangt, welche Grenze sachlich
der Rechtssetzung in Ausführungsverordnungen gezogen ist, so ist diese dahin zu beantworten,
dass in einer auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erlassenen Ausführungsverordnung alle zur
Durchführung des auszuführenden Gesetzes erforderlichen Rechtssätze aufgestellt werden können.
In der Ausführungsverordnung können nicht nur die im Gesetze in allgemeinerer Fassung gegebenen
Rechtsnormen ins Detail ausgeführt wiederholt, sondern auch neue, die gesetzlichen ergänzende
Rechtsnormen aufgestellt werden, welch: den Vollzug des Gesetzes im Sinne des Gesetzgebers
sicherstellen.!T) Die Ausführungsverordnung hat aber lediglich die Bestimmung, der Vollziehung
des betreffenden Gesetzes zu dienen, daher darf sie nichts bestimmen, was nicht innerhalb des
Zweckes liegt, den der Gesetzgeber mit diesem Gesetze verfolgt; sie muss jedoch andererseits,
wenn sie ihre Aufgabe wirklich erfüllen soll, alles bestimmen dürfen, was die Realisierung des ge-
setzgeberischen Willens fördert und sichert, also auch Pflichten den Regierten auferlegen können,
die in dem Gesetze nicht vorgesehen, aber doch im Interesse der gesicherten Durchführung des
Gesetzes geboten sind. Ob und inwieweit eine Verkündigung der Ausführungsverordnung erfor-
derlich ist, richtet sich nach ihrem Inhalte; vgl. oben S. 296.
5. Polizeiverordnungen oder Polizeistrafverordnungen, in manchen Einzel-
staaten auch „polizeiliche Vorschriften‘ genannt,!®) sind Verordnungen, in denen im polizeilichen
Interesse die Untertanen zu Handlungen oder Unterlassungen unter Strafandrohung verpflichtet
werden. Alle Polizeiverordnungen sind Rechtsverordnungen und dürfen daher nur auf Grund
gesetzlicher Ermächtigung erlassen werden. Fast alle Einzelstaaten wie auch das Reich haben
2%) Vgl. z. B. preuss. Verf.U. Art. 45 „Er (d. König) befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erlässt
die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen‘; württemb. Verf.U. $ 89: „Der König hat aber das Recht, uhne
Mitwirkung der Stände die zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen Verordnungen und
Anstalten zu treffen“; sächs. Verf.U. $ 87: „Der König... .. erteilt die zu deren (der Gesetze) Vollziehung und
Handhabung erforderlichen, sowie die aus dem Aufsichts- "und Verwaltungsrechte fliessenden Verfügungen und
Verordnungen“. Ähnlich bad. Verf.U. $ 66, hess. $ 73, braunschw. $ 101 u. a.
ı7) Ebenso LabandSt.R.IIS.81; Rosina.a.0.8.35; Anschütz, Encykl. S. 607 u. a.; anders
dagegen besonders Loening, Verw.R. S. 228 ff. und Jellineka.a. O. S. 379, die von den Ausführungs-
verordnungen noch die Ergänzun gs verordnungen unterscheiden, für diese stets Delegation durch ein 8pe-
zielles Gesetz verlangen, den auf Grund der g
verordnungen dagegen grundsätzlich die Kraft, neue Reohtssätze zu erzeugen, abspre
1) So in Bayern alle Polizeiverordnungen mit Ausnahme der königlichen (vgl. oben S. 293 Anm. 1), in
Baden die der Bezirksverwaltungs- und Ortspolizeibehörden.