25. Abschnitt.
a) Zivilrechtspflege.
Von
Dr. Albrecht Mendelssohn Bartholdy,
o. Professor der Rechte an der Universität Würzburg.
Literatur:
A) Allgemein: Die Darstellungen des Zivilprozesses in Birkmeyers Enzyklopädie (2, Aufl. 1904)
von Stein und in Holtzendorffs Enzyklopädie von Kohler (6. Aufl. 1904), die allgemeinen Vorbemerkungen im
Kommentar zur Z.P.O von Stein (10. Aufl. 1910, S. 1—22), und Struckmann-Koch (9. Aufl. 1910, S. XIII figde).
Von grösster Bedeutung für jede neue Prozessgesetzgebung bleiben Wachs Vorträge über die damals neue Z.P.
von 1879 und Klein’s Vorlesungen zur Einführung der neuen österreichischen
) Zur Bedeutung des ausländischen Rechts für die Reform vor "allem die Abhandlungen von
Chiovenda, Pound und Tissier im Prozessroformheft der Rheinischen Zeitschrift (Juli 1910); Haager, derfranzösische
Zivilprozess und die deutsche Zivilprozessreform (Berlin 1908); zum englischen Recht ausser den unten genannten
Werken von Adickes und Stein: Koellreutter, Richter und Master (Prozessrechtl. Forschungen Heft 1); Peters,
Das englische bürgerliche Streitverfahren und die deutsche Zivilprozessreform; R. Schmidt in der Zeitschrift f.
Politik 1 250; Mendelssohn Bartholdy, das Imperium des Richters (Strassburg 1908), derselbe, Justizreform, Jahrb.
des öff. Rechte 1 153.
) Aus der sehr breiten und verschiedenwertigen Literatur der letzten Jahre zur Prozessreform
in Verbindung mit der Lehre von der freien Rechtsfindung hebe ich hervor (sber unter ausdrücklichem Hinweis auf
die vortrefflichen Berichte von Hedemann im Archiv f. bürgerl. Recht 31 296 und 34 115, wo besonders auch die
Arbeiten von Stampe und Danz gewürdigt sind): Stammler, die Lehre vom richtigen Rechte 1902, Ehrlich, Freie
Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft 1903, Peters, Prozessverschleppung, Prozessumbildung usw. 1
Rumpf, Gesetz und Richter 1906; Kantorowiez, der Kampf um die Rechtswissenschaft 1906; Adickes, Grund.
linien durchgreifender Justizreform 1906; derselbe, Zur Verständigung über die Justizreform 1907; Stein, Zur
Justizreform 1907; Schwartz, Erneuerung Deutscher Rechtspflege 1908; Gmür, Die Anwendung des Rechts nach
Art. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs 1908 und dazu Rabel in der Rhein. Z. 2 308; Kantorowicz, Zur Lehre
vom richtigen Rechte 1909; Rundstein, Freie Rechtsfindung im Archiv f. bürgerl. R. 1909 lfgde.; Mendelssohn
Bartholdy, Programmatisches zur Prozessreform in der Rhein. 2. 2 437, Reform d Zivilprozesswesens in D.R.Z. 1913
273, 313, 439, 483; Kohler, Zur Prozessreform Rhein. Z. 3 Ifgde.; Kisch, Unsere Gerichte und ihre Reform 1909; Brie
und Kiss, Billi keit und Recht im Archiv f. Rechts. und Wirtsohaftsphilosophie 3 526 u. 536; Ehrlich, Die Erfor-
schung des Wi nden Rechts in Schmollers Lehrbuch 35 (1911) 129fgde.; Vierhaus, Die Methode der Recht-
sprechung 1911. — Für die kleineren Schriften und Aufsätze die Literaturübersicht von Kann in Buschs Zeitschrift
40 (1910) 8 359 und 422, wo auch die Schriften von Fuchs und Düringer erwähnt sind; neuerdings erscheinen kurze
Gesamtberichte über die Prozessliteratur in der Zeitschrift „Geisteswissenschaften“.
nz besonders sei auf zwei kleine Festechriftbeiträge hingewiesen, die aber im inneren Gehalt mehrere
Bände der übrigen Literatur überwiegen: An eHeusle 5 Aus der BaslerR
in der Basler Jubiläums-Festschrift (1910) S.1 ed und Leop nger, Antikes Kichterkönigtum i in der
Festschrift zur Jahrhundertfeier des österreichischen B.G. pP sn) r 479 fgde.
1. Die Zivilrechtspflege ist noch mehr als ihr strafrechtliches Geschwister der Macht- und
Partei-Politik entfremdet. Fragen, die bei einer Strafgesetzreform unter dem Gesichtspunkt des
freiheitlichen oder autoritären, des konservativen oder demokratischen, des kapitalistischen oder
sozialistischen Zugs erörtert zu werden pflegen, lassen, wenn sie in einer Zivilprozess-Novelle aufge-
worfen werden, die öffentliche Meinung kalt: man denke an die Strafarten (Todesstrafe, körperliche
Züchtigung, Deportation) dort und an die Vollstreckungsformen hier, an die Zuziehung der Laien
zur Rechtsprechung dort und hier, an die Probleme der Auslieferung und Ausweisung im Gegensatz
zu den ganz den Juristen überlassenen Fragen der internationalen Rechtshilfe im Zivilstreit. Ein
Mittelweg wäre gegenüber diesem Zustand zu wünschen. Der Kriminalist klagt darüber, dass Ein-
richtungen der Rechtspflege durch das Hin- und Herzerren im parteipolitischen Programm ent-
würdigt werden und offene, jedem Reohtspraktiker sehr fühlbare Missstände nicht beseitigt werden