8. Abschnitt.
Die Staatsformen. Souveräne, halb- und nichtsouveräne
Staaten. Staatenverbindungen und Staatenbündnisse.
Von
Dr. Eduard Hubrich,
o. Professor der Rechte an der Universität Greifswald.
Frag
e Lehrbücher des Staatsrechts von Laband „grosser“ L. 5. Aufl. 1911; sog. „kleiner“ L. 5. Auf
1000); Hacnel (Bd. 11892); G. Meyer-Anschuetz (1005% Änschuetz (bei Holtzendorff-Kohler); Hubrich 1ooor
ie Lehrbücher des Völkerrechts von Ullmann (1908), v. Liszt und Bonfils-Grah (1904). Heilborn, Grund-
begriffe des Völkerrechts 1912. — Boghitchövitsch, Halbsouveränetät 1903; Brie, Theorie der Stastenverbindungen
1886; Ebers, Lehre vom Staatenbund 1910; Jellinek, Staatenverbindungen 1882; Staatslehre 1905; Rehm, Allg.
Staatelehre 1 1899; Rosenberg in Z. f. ges Staatswissensohaft Bd. 65 und in Annalen d. d. Reiche Bd. 36 und 38;
Seydel (1897) und Dambitsch (1910) Com. zur R.V.; Triepel, rei und Landesreoht 1899; Westerkamp,
Staatenbund und Bundesstaat 1892; Le Fur, Etat Federal 1886; Bornhak, Allg. Staatslehre 1909; Preuss,
Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften 1889.
4. Die Lehre von den Staatsformen ist die Lehre von den Gattungen und Arten
der Staaten. Seit jeber sind die Eigentümlichkeiten von Staatsgebiet und Staatsvolk die Grund-
lage von mancherlei Staaten-Gruppierungen gewesen (z. B. Insel-, Binnenland usw., Ackerbau-,
Fischer-, Jäger-Staaten usw.). Doch liegt der Wert derartiger Unterscheidungen wesentlich auf
politischem Gebiet. Juristischen Wert haben nur diejenigen Gliederungen, welche von dem Ele-
ment ausgehen, das in der Reihe der Gebietskörperschaften dem Staat allein eignet: von der Staats-
gewalt. Die verschiedenen Grundordnungen, in welche die Beziehungen der Staatsgewalt zu den
Staatsgliedern gefasst sind, bestimmen die juristisch bedeutsamen Gattungen und Arten der Staaten,
kurz die Staatsformen.
L Eine Verschiedenheit der Grundordnung für die Beziehungen der Staatsgewalt zu den
Staatsgliedern kann zunächst insofern bestehen, als der ‚Träger‘ der Staatsgewalt in doppelter
Weise bestimmt sein kann.
Nach moderner Anschauung ist zwar der Staat, das auf einem bestimmten Gebiet ansässige,
durch eine eigenständige Herrschermacht als Einheit zusammengefasste Volk, selbst Subjekt dieser
„Staatsgewalt‘‘ genannten Herrschermacht. Aber wie der Staat überhaupt die Staatsgewalt (den
Staatswillen) den jeweilig lebenden Staatsgliedern gegenüber nur durch das Medium von Staats-
organen, d. h. rechtlich hierfür besonders berufenen Individuen und Individuenmehrheiten, zur
Darstellung bringen kann, so bedarf er in dieser Hinsicht vor allem des „Trägers“ der Staatsge-
walt (des „Herrschers‘) als des ausgezeichneten Staatsorgans, bei welchem der Staatswille an
und für sicb, in seiner Fülle rubt und namentlich im Zweifelsfall immer zur Darstellung kommt.
Die Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt kann gesichert allein beim Vorhanden-
sein eines einzigen „Trägers“ derselben in jedem Staat bestehen; doch darf die Einheit des Trägers
der Staatsgewalt auch die zusammengesetzte Einheit einer ] Mehrheit von Willenssubjekten sein,
welche alsdann die Staatsrewalt zu ideellen Anteilen innehaben. Nur die reale Teilung der Staats-
gewalt unter mehrere selbständig neben einander stehende Rechtssubjekte widerstreitet der ein-
heitlichen Natur des Staates. Der Träger der Staatsgewalt ist sowohl unmittelbares, als höchstes
Organ des Staates; die Konzentration der Staatsgewalt besteht bei ihm, wie man sagt, zu „eigenem
Recht‘‘, d. h. ohne weitere Ableitung kraft des unmittelbaren Willens der Rechtsordnung. Die Art