152 Adolf Wach, Reform des Rechtsunterrichts. Vorbildung des Juristenstandes.
ZE>
Bund
reichen nicht aus. Das, was in schädlicher Weise der Repetitor und Einpauker leistet,
muss fördersamst planmässig die Universität leisten. Dazu bietet sich das Institut der
Assistenten und Privatdozenten, die in Zusammenarbeit mit dem Fachlehrer konversatorisch
und repetitorisch den »Studierenden bei der Bewältigung des Stoffes an die Hand gehen.
Diese ergänzenden Repetitorien sind mit der Fachvorlesung pflichtmässig zu hören. — Ferner
wird darauf Bedacht zu nehmen sein, dass die dogmatischen Vorlesungen durch Aus-
schaltung gewisser für den Kathedervortrag nicht geeigneter Partien und Details entlastet
werden, unter Ueberweisung derselben in die konversatorisch zu leitende und kontrollierende
Selbstarbeit. — Endlich muss dem theoretischen Unterricht ein Anschauungs-Apparat zur
Unterstützung dienen, der aus reponiertem Aktenmaterial und dergleichen leicht zu be-
schaffen ist.
Eine derartige organisatorische planmässige Reform würde den weiteren Vorteil einer
Schule für die Lehrkräfte der Universität bilden. Zurzeit ist die Habilitation oft ein gewagtes
Unternehmen. Auf eine gelehrte — mitunter auch wenig gelehrte Arbeit erfolgt nach
gutem, ja vielleicht dürftigem Kolloquium und ebenso dürftiger Probevorlesung die
Habilitation. Ob der so zur Lehrtätigkeit Zugelassene für sie die Befähigung besitzt, weiss
weder er, noch weiss es die Fakultät. Aber nun ist er Dozent, schreibt Bücher, wird in
eines Besseren Ermangelung berufen oder kraft Ersitzung Professor, vielleicht auch bleibt er
sein Lebtag Privatdozent, den Gott im Zorn dazu gemacht hat. — Die vorgeschlagene
Reform schafft aber nicht nur eine Bildungsstätte für den Dozenten, sondern erleichtert auch
wirtschaftlich seine Existenz, denn es ist selbstverständlich, dass derartig planmässig bu-
schäftigte Assistenten und Dozenten nicht ohne Gehalt arbeiten.
Man wende nicht ein, dass es an geeigneten Personen fehlen werde. Unter den
jüngeren Praktikern wird es an brauchbaren Hilfskräften nie fehlen, — und der ordent-
liche Professor wird sich leichtlich geeignete Schüler heranziehen. — Finanzielle Bedenken
haben bei der Wichtigkeit der Sache keine Berechtigung.
2. Der Vorbereitungsdienst ist aus einem ganz äusserlich geordneten, in seinem
Erfolg auf den Zufall abgestellten in eine methodische Schulung umzuwandeln. Es hängt
zurzeit vom Zufall ab, ob der Referendar das Glück hat, einen geeigneten Lehrmeister
an seinem Richter oder Staatsanwalt zu finden, ob die Beschäftigung, die ihm wird, hin-
länglich instruktiv ist. Dass muss anders werden. Man mag mit einer knapp bemessenen
Station beim Amtsgericht beginnen, die in den verschiedenen Gebieten der streitigen und
freiwilligen Gerichtsbarkeit orientiert. Dann muss eine methodische praktische Unter-
weisung folgen — und das kann nur geschehen beim Landgericht, bei dem die Referendare
in grösserer Zahl zu Ausbildungskursen zu vereinigen sind, die von hierzu berufenen und
dafür zu remunerierenden Instruktoren: Richtern, Staatsanwälten, Anwälten zivil- und straf-
prozessualisch, sowie im Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuleiten sind. Dann mag
die Zeit der praktischen „Betätigung folgen“, deren Hauptgewicht in die Judikatur, die
staatsanwaltliche und anwaltliche Tätigkeit zu legen ist. Das Bestreben, den Beferendar
überall sattelfest zu machen, z. B. auch in Nachlass- und Vormundschaftssachen, in Grund-
buchsachen, in Konkurssachen, in der Berufungsinstanz gleichermassen, wie ın der ersten ıst
zwecklos. Man hat zu bedenken, dass wir nicht aufhören zu lernen, dass der junge Richter
nicht alsbald in höherer Instanz funktionieren wird und dass, wer in erster Instanz tüchtig ist,
es auch in der höheren sein wird. Wesentlich ist, wo die stärksten für die Novizen des Rechts
förderlichsten Bildungselemente liegen. Gänzlich gebrochen muss werden mit der handwerks-
mässigen Beschäftigung, besonders durch, wohl gar durch fiskalische Gesichtspunkte bestimmten,
Ersatz des Gerichtschreibers durch den Referendar. Man muss einsehen, dass die praktische
Schulung Aufwendungen des Staates erheischt, wie die akademische und dass Arbeit unter
eigener Verantwortlichkeit die intensivste Bildungskraft besitzt.