am _ U
Carl Johannes Fuchs, Denkmalpflege und Heimatschutz. i 163
neuerdings (1912), den Versuch gemacht, die Reklame durch eine Erdrosselungssteuer zu
bekämpfen.
Für die bisherigen Erfolge und künftigen Aussichten der ganzen Heimatschutzbewegung,
insbesondere auch für die Durchführung der schon geschaffenen oder noch zu schaffenden gesetz-
lichen Bestimmungen und Verordnungen ist aber zwischen den z weı grossen Aufgaben zu unter-
scheiden, welche der Heimatschutz — wie ihn die moderne deutsche Heimatschutzbewegung ver-
steht — umfasst, und bei welchen die zu überwindenden Schwierigkeiten eine sehr verschieden
grosses Mass aufweisen: einmal die wirkliche Erhaltung grosser einzigartiger Schönheitswerte
der Natur oder der früheren Kultur, die in ihrer Art unersetzlich sind, und dann die Fürsorge
dafür, dass an Stelle der hunderte und tausende von Schönheiten unserer deutschen Heimat, die
nicht gross genug sind, um ihre Erhaltung mit wirtschaftlichen Opfern zu rechtfertigen, die —
man mag es noch so sehr bedauern — der unaufhaltsam fortschreitenden Entwickelung zum
Opfer fallen müssen, neue Schönheiten ım alten Geiste treten: eine neue Kultur, die anknüpft
an dıe vollständig preisgegebene alte Tradition, ein neuer eigen-, nicht fremdartiger heimatlicher
Stil, der die alten Formen neuen Bedürfnissen anpasst — statt der geist- und charak-
terlosen, alles nivellierenden Hässlichkeit unserer jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Diese
zweite positive, moderne Seite des Heimatschutzes ist von grösster Bedeutung und beweist, dass
er viel mehr als blosse Romantik ist. Er trifft hier zusammen mit dem Grundsatz der modernen
Kunstbewegung: Wahrheit und Echtheit, und seine Forderungen sınd wie diese im letzten Grund
ethischer Natur.
Von diesen beiden Aufgaben ist nun aber die zweite unstreitig die sehr viel leichtere, und auf
diesem Gebiete sind daher auch bis jetzt die meisten Erfolge erzielt worden. Es ist bereits durch
zahlreiche Versuche erwiesen, dass den Grundsätzen des Heimatschutzes entsprechende Bau-
formen nicht höhere, sondern vielfach sogar niedrigere Kosten erfordern, als die weniger einfachen
geschmacklosen, auf Anpassung an die Umgebung keine Rücksicht nehmenden Schöpfungen
des gewöhnlichen, künstlerisch nicht gebildeten Bauunternehmers — also auch zugleich ‚„‚wirtschaft-
licher‘ sınd. So ıst vor allem die Pflege der „heimischen Bauweise” allerorten mit
grossem Erfolge betrieben worden und wird besonders durch die „Bauberatungsstellen”
gefördert, welche teils der Staat, teils Heimatschutzvereine oder Kleinwohnungsverbände ın den
verschiedenen deutschen Ländern ins Leben gerufen haben.
Die grossen Schwierigkeiten und Konflikte ergeben sich für den Heimatschutz vielmehr auf
dem ersten Gebiet: da, wo es sich um wirkliche Erhaltung handelt. Denn hier kommt er,
nachdem die Zeit des gedankenlosen Zerstörens wohl so ziemlich vorüber, und auch die Gefährdung
durch Restaurieren ım Schwinden begriffen ist, vor allem in einen — wirklichen oder scheinbaren
— Gegensatz zu dr modernen wirtschaftlichen Entwickelung. Sehr oft
ist es allerdings nur ein scheinbarer, der bei genauerer Prüfung und Abwägung der widerstreitenden
Interessen hinfällıg wırd: so namentlich bei den besonders in Mittel- und Kleinstädten aus einer
gewissen Grossstadtsucht heraus geborenen und so oft masslos übertriebenen Forderungen des
„Verkehrs. Hier wird eine ernste Prüfung der wirklichen sachlichen Notwendigkeit sehr oft zur
Rettung einer gefährdeten natürlichen oder historischen Schönheit genügen. Aber auf einem anderen
Grebiete, das ın der Jüngsten Gegenwart und in der kommenden Zukunft eine immer grössere Bedeu-
tung beansprucht, besteht ein wirklicher offener Gegensatz der schwersten Art: nämlich bei der
Ausnützung der Wasserkräfte für den Verkehr und vor allem die Industrie und der
Gefährdung hervorragender landschaftlicher Schönheiten durch sie.
Zwar ıst auch da von einer höheren Warte aus gesehen, ein dauernder Gegensatz zwischen den
ästhetischen und den wirtschaftlichen Interessen nicht vorhanden : denn auch für die wirtschaft-
liche, besonders auch die industrielle Leistungsfähigkeit eines Volkes sind, wie uns wiederum Rus-
k ın gelehrt hat, solche Schönheitswerte unentbehrlich und machen sich auf die Dauer sogar bezahlt.
Es gibt also auch einen volkswirtschaftlichen Wert und eine volkswirtschaftliche Not-
wendigkeit des Schönen und damit auch des Heimatschutzes. Aber für die einzelne Privat-
wırtschaft handelt es sich dabei zweifellos in der Regel um wirtschaftliche Opfer, die gebracht
werden müssen, um eine Einschränkung der Erwerbsfreiheit, des modernen Kapitalismus, des
11%