Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

Eugen von Jagemann, Sicherheitspolizei. 
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faltung aber pflegt der begriffliche Schwerpunkt gelegt zu werden, und man kann darin eine Ab- 
grenzung finden; manche schalten die Naturgefahren aber begrifflich ganz aus. 
Wer den Staat indes nicht als einen Bau von lauter Isolierzellen ansieht, wird so wenig 
theoretischer Spaltung, wie dem Ressortpartikularısmus huldigen, dagegen als Hauptgesichts- 
punkte folgende festhalten, aus denen das Wesen der Sicherheitspolizei erhellt: 
1. Während die äussere Sicherheıt des Staats durch Wehrkraft und Diplomatie ge- 
schützt wird, hat dieinnere ihren besten Schutz ın gehobener Kultur und Zufriedenheit, kann 
aber gleichwohl einer massvollen Beobachtung und gegebenenfalls der Abwehr von Gefahren nicht 
entbehren, welche sich dem Staat und einer geordneten Regierung entgegenstellen; diese Beobach- 
tung und auch die Abwehr ist Sache der politischen Polizeialsemereine Staatsaufgabe, 
welche somit einen Hauptzweig der Sicherheitspolizei ergibt. 
2. Der andere, bestehend im präventiven Schutz der Rechtssphäre des 
Einzelnen, kann prinzipiell nur einesubsıdıäre Staatsaufgabe sein. Denn der 
Selbstschutz durch Vorsicht und Vorbeugung ıst das Natürliche im privaten Lebenskreise, neben 
dem vollständig ausgebildeten repressiven Schutz durch die kerichte, und es besteht 
die faktische Unmöglichkeit, dass der Staat durchweg Angriffen und Verletzungen zuvorkomme; 
es würde an Personal und Tätigkeit weit mehr erheischen, als der Schaden andererseits entzieht.) 
Wie weit die Subsidiarität reicht, ist theoretisch zwar ın Formeln zu fassen versucht worden (Ver- 
sagung der Selbsthilfe, unmittelbare Angrıffe, wichtigere Rechtsgüter, Gefährdung des Publi- 
kums oder bloss Einzelner, Untertanen oder Fremder, u.s.f.), sie besagen aber ausser Gradunter- 
schieden praktisch wenig. Das Mass pflichtmässiger Tunlichkeit für die Beamten, das Friedbewusst- 
sein des Schutzes, auf der Gegenseite entschiedene Furcht vor dem Erwischtwerden, in der öffent- 
lichen Meinung das Anerkenntnis des Genügens für verständige Ansprüche und des Ausbleibens 
schwerer oder häufiger Missgriffe besagen als Richtpunkte weit mehr. 
3. Ebenso ist Staatsaufgabe die Beteiligung und für gewisse Gefahren selbst die alleinige 
Leistung des Schutzes gegenüber zu erwartender elementarer Schädıgung, einerlei 
ob man hierin staatswissenschaftlich ein Stück Verwaltung oder Sicherheitspolizei sehen will; mit 
Rücksicht auf die Einteilung des Handbuchs wırd ın diesem Abschnitt nur von solchen Gefahren 
noch gesprochen werden, welchen keine anderwärtige Darstellung gewidmet ist.®) 
Aus der begrifflichen Begrenzung der Sıcherheitspolizeil, im Gegensatz zur Polizei sonst 
und zur Verwaltung, ?) sind juristısche Folgen übrigens nur da zu ziehen, wo ein Gesetz 
sie an den Begriff knüpft. Aber gerade da muss, bei der Verschiedenheit des Sprachgebrauchs, 
darauf gesehen werden, jenen nicht nach doktrinären Erwägungen, sondern im Geist dieses speziellen 
Gesetzes oder, wo solches dafür versagte, im Geist der sonstigen Gesetze des betreffenden Landes 
zu erfassen.?) 
III. Rechtsstand. Alle Kulturstaaten haben legislative Schranken bezüglich der Mittel 
der Sicherheitspolizei aufgestellt, sei es durch Normierung der gestatteten Handlungen oder um- 
gekehrt durch Garantierung von Freiheiten des Individuums, aus welchen sich Verbote für die 
  
  
  
  
  
  
  
6) Der beissende Witz Emil Frommel’s sagte: „Polizei und Käse haben die Augen da, wo nichts ist.“ 
6) Vgl. die Kapitel „Sittlichkeits-, Gesundheits-, Veterinärpolizei‘‘ dieses Abschnitts, ferner Kriminal- 
polizei (unter Strafrechtsreform), Versicherungswesen, Arbeiterschutz u. e. f£. 
”) In diesem Sinn definiert Hieber a. a. ©. S. 53 (vgl. auch S. 110) mit Bezug auf Gaupp-Götz, württ. 
Staatsrecht (Tübingen 1908), den Gegensatz von Sicherheits- und Verwaltungspolizei: erstere umfasse die Tätig- 
keit der öffentlichen Organe zur Abwendung speziell derjenigen Gefahren, welche die öffentliche und private 
Rechtsordnung und damit die Sicherheit der Gesamtheit, wie der Einzelnen, also nicht bloss bestimmte Lebens- 
verhältnisse und Interessen, durch widerrechtliche Handlungen oder Unterlassungen bedrohen, — die Verwaltungs- 
polizei dagegen sei die Betätigung in bestimmten einzelnen Gebieten (Gesundheits-, Bau-, Feuer-, Feldpolizei 
u. 8. f.). Allein fast jede Gefahr wird ein bestimmtes Lebensverhältnis betreffen und, wenn sie nicht elementarer Art 
ist, zugleich ein Stück Rechtsordnung bedrohen. | 
8) Nach preussischem Recht (Gesetz über Allg. Landesverwaltung $ 143) können ortspolizeiliche Sicher- 
heitsanordnungen ohne Zustimmung des Gemeindevorstands erlassen werden; vgl. dazu auch Allg. L.R. Teil II 
Tit. 17 810 und v. Kamptz s. v. „Polizei“ in Poseners Rechtslexikon. Wichtig ist die Begriffsfrage auch für 
R.Vereinsgesetz (1908) $ 1 Abs. 2. 
  
 
	        
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