Fritz Stier-Somlo, Die deutsche Arbeiterversicherung.
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einer Heilanstalt untergebracht, so darf er während des Heilverfahrens in eine andere Heilanstalt
nur mit seiner Zustimmung übergeführt werden ($ 605). Der entsprechende Absatz des $ 11 G.U.V.G.
sagte dasselbe, und ein Kampf der Berufsgenossenschaften gegen diese Bestimmung ist deshalb
nicht recht verständlich. Immerhin hätte man den Krankenkassen dıe Verpflichtung auferlegen
können, die Überführung in eine die Wiederherstellung besser gewährleistende Anstalt zu bewirken.
Das Versicherungsamt des Aufenthaltsortes kann übrigens die fehlende Zustimmung ergänzen,
wie sie bis jetzt durch die untere Verwaltungsbehörde des Aufenthaltsortes ergänzt werden konnte
($ 605 Abs. 2). |
Ein schwer zu lösendes Problem bildete schon ım bisherigen Rechte die Zahlung derkleinen
Renten, die an sich zudem Lebensunterhalte einen ganz minimalen Betrag gewähren, demnach
materiell von keiner nennenswerten Bedeutung für dıe Bezieher sind, von diesen aber meist zum
Anlass genommen werden, um die völlige Arbeitsfähigkeit hinauszuschieben. Die berühmten
Rentenhysterie ist auch hier ım Spiele. Der Entwurf hatte vorgeschlagen, dass Renten bis zu
20 %, Im voraus auf bestimmte Zeit gewährt werden können. Dabei sollte die voraussichtlich
Dauer der Einbusse an Erwerbsfähigkeit massgebend sein. Diese zeitliche Beschränkung sei mit
einem Rechtsmittel nicht. anfechtbar. Wenn aber ın der vorausbestimmten Zeit die durch den
Unfall herbeigeführte Erwerbseinbusse fortbesteht, so kann der Verletzte eine neue Feststellung
der Rente verlangen. Die Reichstagskommission billigte es, dass den Absichten auf Abschaffung
dieser kleinen Renten — unschönerweise ‚„Schnapsrenten genannt — in dem Entwurfe keine Folye
cegeben worden ist. Sie will die kleinen Renten ganz ebenso behandelt wissen wıe alle andern.
Aber sie ging noch weiter. Man hatte ausserhalb des Reichstags behauptet, dass der Zweck der
gedachten Bestimmungen die Entlastung der Berufsgenossenschaften wäre zu Ungunsten der Ver-
sicherten. Wenn diese Wirkung beabsichtigt wäre, müsste man jenen Vorschriften widersprechen
und Kautelen dafür schaffen, dass in einem abgekürzten Rentenfeststellungsverfahren vorgegangen
werden könne, damit nicht gerade wegen der kleinen Renten eine noch grössere Unzufriedenheit
der beteiligten Kreise entstehe, die sich gegen das sogen. Rentenquetschen wenden. Schliesslich
hat die Reichstagskommission einfach die Paragraphen, welche die Möglichkeit boten, kleine
Renten auf Zeit zu bewilligen, ohne dass die zeitliche Beschränkung anfechtbar sein sollte,
gestrichen, weil dıe Beschränkung zum Schaden der Arbeiter angewendet werden oder doch
dadurch Misstrauen entstehen könnte. Es gilt jetzt der Satz: Beträgt die Rente eines Verletzten
l/. der Vollrente oder weniger, so kann ıhn die Genossenschaft mit seiner Zustimmung nach An-
hören des Versicherungsamtes mit einem dem Werte einer Jahresrente entsprechenden Kapıtal
abfinden ($ 616).
Als Träger der Versicherung besteht nach wie vor die Berufsgenossenschaft.
Sie umfasst dıe Unternehmer der versicherten Betriebe. In den Vorstand kann gewählt werden,
wer ihr als Mitglied angehört ($ 623). Mit der Struktur der Unfallversicherung hängt zusammen
die Frage ‘der Beitragsleistung und auch des Rentenfeststellungsverfahrens.
Wenn die Leistungen der Unfallversicherung einzig und allein durch die Berufsgenossenschaften
aufgebracht werden müssen, so haben die Arbeiter und sonstigen Versicherten einen Anspruch
auf Mitverwaltung nicht, und sie haben auch nur normwidrig einen Einfluss auf die Recht-
sprechung. Nun ist aber darauf hingewiesen worden, dass in Wirklichkeit die Krankenkassen
einen Teil der Lasten der Berufsgenossenschaften tragen insofern, als sie in den ersten 13 und
häufig schwersten Wochen aus ihren eigenen Mitteln für dıe Unfallverletzten aufzukommen haben.
Deshalb musste entweder den Versicherten ein vom Gesetz noch näher zu bestimmendes Mass an
Mitwirkung gewährt werden, wobei die Frage der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften
bis zu einem gewissen Grade in Mitleidenschaft gezogen werden musste, oder aber es hätten die
Berufsgenossenschaften vom Tage des Unfalls ab die Unfallasten zu tragen. Eine andere Frage
ist die, ob nicht auch die Berufsgenossenschaften oder ein Teil von ihnen selbst eine Beschränkung
seiner Befugnisse dann gern ertrüge, wenn damit eine Verringerung seiner finanziellen Lasten ver-
bunden wäre. Die Begründung der R.V.O. meint zwar, dass die Leistungsfähigkeit derVersicherungs-
träger, soweit Unfail- und Invalidenversicherung in Frage kommt, unbedingt verbürgt seı. Es
gibt aber doch Industrien, in denen Betriebe mittleren und kleineren Umfanges überwiegen und die