Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
Fritz Stier-Somlo, Die deutsche Arbeiterversicherung. 
VE BEE Vo 
  
43 
  
u nn no N u 
Rp MEN CHEN 
einer Heilanstalt untergebracht, so darf er während des Heilverfahrens in eine andere Heilanstalt 
nur mit seiner Zustimmung übergeführt werden ($ 605). Der entsprechende Absatz des $ 11 G.U.V.G. 
sagte dasselbe, und ein Kampf der Berufsgenossenschaften gegen diese Bestimmung ist deshalb 
nicht recht verständlich. Immerhin hätte man den Krankenkassen dıe Verpflichtung auferlegen 
können, die Überführung in eine die Wiederherstellung besser gewährleistende Anstalt zu bewirken. 
Das Versicherungsamt des Aufenthaltsortes kann übrigens die fehlende Zustimmung ergänzen, 
wie sie bis jetzt durch die untere Verwaltungsbehörde des Aufenthaltsortes ergänzt werden konnte 
($ 605 Abs. 2). | 
Ein schwer zu lösendes Problem bildete schon ım bisherigen Rechte die Zahlung derkleinen 
Renten, die an sich zudem Lebensunterhalte einen ganz minimalen Betrag gewähren, demnach 
materiell von keiner nennenswerten Bedeutung für dıe Bezieher sind, von diesen aber meist zum 
Anlass genommen werden, um die völlige Arbeitsfähigkeit hinauszuschieben. Die berühmten 
Rentenhysterie ist auch hier ım Spiele. Der Entwurf hatte vorgeschlagen, dass Renten bis zu 
20 %, Im voraus auf bestimmte Zeit gewährt werden können. Dabei sollte die voraussichtlich 
Dauer der Einbusse an Erwerbsfähigkeit massgebend sein. Diese zeitliche Beschränkung sei mit 
einem Rechtsmittel nicht. anfechtbar. Wenn aber ın der vorausbestimmten Zeit die durch den 
Unfall herbeigeführte Erwerbseinbusse fortbesteht, so kann der Verletzte eine neue Feststellung 
der Rente verlangen. Die Reichstagskommission billigte es, dass den Absichten auf Abschaffung 
dieser kleinen Renten — unschönerweise ‚„Schnapsrenten genannt — in dem Entwurfe keine Folye 
cegeben worden ist. Sie will die kleinen Renten ganz ebenso behandelt wissen wıe alle andern. 
Aber sie ging noch weiter. Man hatte ausserhalb des Reichstags behauptet, dass der Zweck der 
gedachten Bestimmungen die Entlastung der Berufsgenossenschaften wäre zu Ungunsten der Ver- 
sicherten. Wenn diese Wirkung beabsichtigt wäre, müsste man jenen Vorschriften widersprechen 
und Kautelen dafür schaffen, dass in einem abgekürzten Rentenfeststellungsverfahren vorgegangen 
werden könne, damit nicht gerade wegen der kleinen Renten eine noch grössere Unzufriedenheit 
der beteiligten Kreise entstehe, die sich gegen das sogen. Rentenquetschen wenden. Schliesslich 
hat die Reichstagskommission einfach die Paragraphen, welche die Möglichkeit boten, kleine 
Renten auf Zeit zu bewilligen, ohne dass die zeitliche Beschränkung anfechtbar sein sollte, 
gestrichen, weil dıe Beschränkung zum Schaden der Arbeiter angewendet werden oder doch 
dadurch Misstrauen entstehen könnte. Es gilt jetzt der Satz: Beträgt die Rente eines Verletzten 
l/. der Vollrente oder weniger, so kann ıhn die Genossenschaft mit seiner Zustimmung nach An- 
hören des Versicherungsamtes mit einem dem Werte einer Jahresrente entsprechenden Kapıtal 
abfinden ($ 616). 
Als Träger der Versicherung besteht nach wie vor die Berufsgenossenschaft. 
Sie umfasst dıe Unternehmer der versicherten Betriebe. In den Vorstand kann gewählt werden, 
wer ihr als Mitglied angehört ($ 623). Mit der Struktur der Unfallversicherung hängt zusammen 
die Frage ‘der Beitragsleistung und auch des Rentenfeststellungsverfahrens. 
Wenn die Leistungen der Unfallversicherung einzig und allein durch die Berufsgenossenschaften 
aufgebracht werden müssen, so haben die Arbeiter und sonstigen Versicherten einen Anspruch 
auf Mitverwaltung nicht, und sie haben auch nur normwidrig einen Einfluss auf die Recht- 
sprechung. Nun ist aber darauf hingewiesen worden, dass in Wirklichkeit die Krankenkassen 
einen Teil der Lasten der Berufsgenossenschaften tragen insofern, als sie in den ersten 13 und 
häufig schwersten Wochen aus ihren eigenen Mitteln für dıe Unfallverletzten aufzukommen haben. 
Deshalb musste entweder den Versicherten ein vom Gesetz noch näher zu bestimmendes Mass an 
Mitwirkung gewährt werden, wobei die Frage der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften 
bis zu einem gewissen Grade in Mitleidenschaft gezogen werden musste, oder aber es hätten die 
Berufsgenossenschaften vom Tage des Unfalls ab die Unfallasten zu tragen. Eine andere Frage 
ist die, ob nicht auch die Berufsgenossenschaften oder ein Teil von ihnen selbst eine Beschränkung 
seiner Befugnisse dann gern ertrüge, wenn damit eine Verringerung seiner finanziellen Lasten ver- 
bunden wäre. Die Begründung der R.V.O. meint zwar, dass die Leistungsfähigkeit derVersicherungs- 
träger, soweit Unfail- und Invalidenversicherung in Frage kommt, unbedingt verbürgt seı. Es 
gibt aber doch Industrien, in denen Betriebe mittleren und kleineren Umfanges überwiegen und die 
  
  
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.