Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Durchsuchung und Beschlagnahme. — Augenscheinseinnahme. 329 
eine Tafel locker sein; ist Pflaster in Höfen oder Kellern aufgerissen worden, so merkt 
man dies daran, daß ausgegossenes Wasser an solchen Stellen schnell in den Boder sickert. 
Bei einer Mehrheit von beschlagnahmten Gegenständen tut der Polizeibeamte 
gut, dieselben, zumal wenn sie von Bedeutung sind, in ein der Anzeige beizufügendes 
Verzeichnis aufzunehmen und den Gegenstand zu kennzeichnen. Bei einem Einbruchs- 
diebstahle wurde u. a. ein Messer am Tatorte gefunden, dessen bisheriger Eigen- 
tümer ermittelt wurde. Das Messer wurde ohne Beschreibung und ohne Kenn- 
zeichnung der Anzeige beigefügt. In der Hauptverhandlung erkannte der Polizei- 
beamte das Messer zunächst selbst nicht als das in Frage kommende wieder 
und behauptete, das am Tatorte gefundene Messer habe anders ausgesehen. Wie- 
wohl sich später feststellen ließ, daß der Beamte sich irrte, so war dieser Irrtum 
für die Anklage zunächst verhängnisvoll und regte die Frage an, ob der Beamte nicht 
das am Tatorte gefundene Messer versehentlich bei der Anfertigung der Anzeige mit 
einem anderen Messer vertauscht habe. In den Akten fehlte eine Beschreibung des 
Messers, es war auch nicht mit einem Erkennungszeichen versehen worden. Vergl. 
hierzu die ausdrückliche Vorschrift in § 109 der Str. Pr. O., wonach die in Ver- 
wahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände genau zu verzeichnen und zur 
Verhütung von Verwechselungen durch amtliche Siegel oder sonst in geeigneter Weise 
kenntlich zu machen sind. 
Die Beschlagnahme und Durchsuchung sind wichtige Maßnahmen, welche 
oft der Untersuchung eine ganz unerwartete Wendung geben. Jedenfalls wird durch 
ihre Vornahme kaum ein Schaden angestiftet. Die Unterlassung mit der Begründung, 
daß der Beschuldigte gewarnt worden sei und lange Gelegenheit gehabt habe, die 
Beweisstücke zu beseitigen, hält nicht immer stich. In einer Meineidsuntersuchung 
bestand der Verdacht, daß der Beschuldigte einen Verwandten zur falschen Aussage 
angestiftet hatte. Diese Beeinflussung lag aber schon Monate zurück, so daß der 
Staatsanwalt von der Durchsuchung nichts erwartete. Als er sie gleichwohl vor- 
nahm und in der kleinen Behausung des Zeugen den einzigen Tischkasten öffnete, 
fand er als einziges Schriftstück darin einen Brief, in welchem der Meineidige seinem 
Verwandten auseinandersetzte, was er falsch beschworen habe und wie der Verwandte 
ihm zu gunsten aussagen solle. So lange hat der Zeuge den inhaltsschweren Brief 
sorglos aufgehoben. 
8. Augenscheinseinnahme. 
Die alte Erfahrung, daß die Wahrnehmung mit den eigenen Augen die 
sicherste Grundlage für die Ueberzeugung bildet, bewährt sich auch bei der Beweis- 
sammlung im Strafprozesse. Es kann sich um Besichtigung von Oertlichkeiten, 
z. B. den Tatort eines Mordes mit den Spuren des vorausgegangenen Kampfes 
zwischen Mörder und Opfer, von Räumlichkeiten, z. B. dem Brandherde bei einer 
Brandstiftung, oder von einzelnen Gegenständen handeln, z. B. ob ein schloßartiger 
Mechanismus vorliegt, der mittels falschen Schlüssels im Sinne von § 243 Ziffer 3
	        
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