Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Augenscheinseinnahme. — Benutzung der Presse. 333 
Oft ist auch die Entnahme von Proben von Wert, z. B. bei der Brand— 
stiftung von verbrannten Holzteilen, namentlich auch bei Waldbränden von ver- 
brannten Rindenteilen, Zweigen, Aesten usw., zum Nachweise, daß ein wirkliches 
helles Brennen oder Glimmen stattgefunden hat. 
9. Benutzung der Presse. 
Die Presse ist in unserer modernen Zeit als Hilfsmittel zur Auffindung von 
Beweisen nicht zu entbehren. Mancher, der in seiner Zeitung von einem Verbrechen 
liest, wird dabei an einen wahrgenommenen oder erlebten Vorgang erinnert, den er 
erst für harmlos hielt, aber nun doch als im Zusammenhange mit der Tat stehend 
betrachtet. Insbesondere sollen in wichtigen Fällen im redaktionellen Teile der Tages- 
blätter amtliche Mitteilungen und direkte Aufforderungen an Zeugen, sich zu melden, 
in auffälliger Weise veröffentlicht werden. Das Publikum muß zu seiner pflicht- 
schuldigen Mitarbeit im Strafprozesse auf solche Weise herangezogen und erzogen 
werden. Freilich kann durch die Presse auch Schaden angerichtet werden. Der 
Täter erhält Warnungen, wie weit man ihm auf der Spur ist oder ob die Ver- 
mutungen von ihm abweichen. Oft findet man in diesen Berichten die Preisgabe 
von solchen Einzelheiten, welche den Täter und seine Helfershelfer rechtzeitig warnen 
müssen. Aber auch Zeugen können beeinflußt werden. Ein Verhafteter kam wegen 
Raubmordversuchs in Frage. Die Verdachtsgründe hatten sich ziemlich gehäuft. 
Da wurde er ergriffen. Ehe er aber noch vom zuständigen Amtsrichter vernommen 
worden war, stand im Polizeibericht einer Tageszeitung der betreffenden Stadt, daß 
der Verdacht sich erledigt habe, weil der Verhaftete seinen Alibibeweis erbracht habe. 
Dabei war zur Zeit, als diese Notiz in die Redaktion kam, der Bericht über die 
Alibi-Erhebungen vom beauftragten Kriminalbeamten überhaupt noch nicht fertig- 
gestellt, so daß der Staatsanwalt, der früh zu seinem Erstaunen von dem gelungenen 
Alibibeweise in der Zeitung las, erst den amtlichen Bericht herbeiziehen mußte. Als 
dann der Staatsanwalt den Alibibeweis nachprüfte, ergab sich aber, daß er durchaus 
nicht als gelungen zu bezeichnen war. Die Tat sollte am ersten Tage eines Monats 
begangen sein, und ein Zeuge konnte auf grund der Anhaltspunkte, die seine Geld- 
verhältnisse ihm gaben, feststellen, daß er den Beschuldigten nicht, wie dieser be- 
hauptete, am ersten des Monats an einem anderen Orte zur Zeit der Tat gesehen 
hatte. Der Zeuge hatte aber den Polizeibericht in der Zeitung, daß der Alibibeweis 
gelungen sei, gelesen und ließ sich davon, daß danach der Verdächtige die Tat doch nicht 
begangen haben könne, nur schwer abbringen. Wenn also amtliche Mitteilungen an 
die Presse über begangene Straftaten gegeben werden, so müssen sie so erteilt werden, 
daß durch ihre Veröffentlichungen kein Nachteil erwachsen kann. Voreilige Mit- 
teilungen über die Ergebnisse einer Beweiserhebung sind, ehe die Justizbehörde nach- 
geprüft hat, zu unterlassen und höchstens dann zulässig, wenn ein Zweifel nicht 
mehr bestehen kann. Der Kriminalbeamte oder polizeiliche Bureaubeamte hat sich 
eigenmächtiger Mitteilungen zu enthalten, und der Redakteur sollte in der Entgegen-
	        
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