454 II. Der exekutive Polizeibeamte.
Polizeibehörden mit in den Rahmen der Erörterungen zu ziehen, z. B., um jahre-
lange Branntweinlieferungen aufzudecken. Hierdurch wird jedenfalls erreicht, daß
der Lieferant unzweideutig erfährt, sein Abnehmer betreibe mit dem ihm gelieferten
Branntwein unbefugten Schank. Setzt der Lieferant seine Lieferungen gleichwohl
fort, so wird er später wegen Beihilfe zu fassen sein.
Bei der regelmäßigen Feststellung der Lieferanten findet man endlich auch,
daß die Branntweinlieferungen von auswärts am Wohnorte des Abnehmers diesem
von einem Spediteur zugefahren werden. Anstatt sich nun sofort, was vielleicht
bedenklich sein und zu Kollusionen Anlaß geben kann, an den auswärtigen Lieferanten
selbst zu wenden, kann man manchmal sicherer bei dem Spediteur die nötigen Er-
kundigungen einziehen. Als Gehülfe zum unbefugten Branntweinschank wird er
natürlich fast niemals in Frage kommen, deshalb aber auch bereitwilligst Auskunft
erteilen und seine Bücher vorlegen, zumal wenn er der sogenannte Stadtspediteur
ist. Nach § 103 der Strafprozeßordnung wäre übrigens auch eine Beschlagnahme
der Geschäftsbücher und Papiere zu solchem Zwecke zulässig, wenn der Spediteur
die Einsicht und Herausgabe verweigert. Aus seinen Büchern und Listen kann man
auf Monate und Jahre zurück feststellen, welche Mengen Branntwein der Einzel-
händler bezogen hat. Endlich kann man aus den Geschäftsbüchern des Spediteurs
auch noch ersehen, welchen anderen Händlern derselbe Lieferant oder andere aus-
wärtige Lieferanten Branntwein — zu welchen Zeiten und welche Quantitäten —
geliefert haben. Hierdurch kommt man oft einer Reihe von neuen Händlern auf
die Spur, welche unbefugten Branntweinschank betreiben. Man muß dann eben-
falls sich schnell eine Liste aufstellen und die Händler, gegen welche vorgegangen
werden soll, nach dem Polizeibezirk verzeichnen. Bei denjenigen Händlern, welche
erst vor kurzem größere Lieferungen erhalten haben, ist natürlich mit der Durch-
suchung und Beschlagnahme zu beginnen.
Hat man einmal die ernstliche Absicht, den Winkelschank nachdrücklich zu be-
kämpfen, so ist im vorstehenden System ein Mittel gegeben, ihm fast bis zur Ver-
nichtung beizukommen. Selbstverständlich ist die Durchführung des Systems mit
Arbeit und Mühe verbunden, weil fast immer mit großer Schnelligkeit gearbeitet
werden muß. Es wird aber erreicht, daß den Händlern die Lieferung
von Branntwein am Orte selbst und von auswärts abgeschnitten
wird. Die nicht unerheblichen Vermögenseinbußen durch Geldstrase und Ein-
ziehung der Vorräte legen den Eifer der Lieferanten und Händler bald lahm.
Die kleinen Geschäftsleute verfallen dann meist auf die Idee, von den Grossisten
nur flaschenweise Branntwein holen zu lassen. Der Gurossist soll auf solche Weise
nicht zu wissen bekommen, wer den Branntwein kauft, und der Händler will den
Anschein erwecken, als habe er den Branntwein zum eigenen Bedarf angeschafft.
Hier sind dann polizeiliche Beobachtungen und Revisionen am Platze.
Bei der Beweisfrage darf man davon ausgehen, daß die Rückfälligkeit
im Winkelschanke eine große ist. Wer einmal unbefugt geschänkt hat, läßt
gewöhnlich trotz ein= oder mehrmaliger Bestrafung nicht ohne weiteres davon ab.