Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Polizeiliches Einschieiten bei Mietsstreitigkeiten. 457 
der Wohnung, welche der Mieter verweigert. Der Mieter ist berechtigt, den letzten 
Tag innerhalb der Vertragsdauer voll die Wohnung innezuhaben, also auch, da 
der Tag erst um Mitternacht endet und er sofort nach Mitternacht nicht zu räumen 
braucht, ja wegen der mit dem Ausräumen verbundenen Nachtruhestörung aus 
polizeilichen Gründen zu räumen gar nicht berechtigt ist, in der Wohnung noch zu 
schlafen. Im Laufe des ersten auf den letzten Tag der Vertragsdauer folgenden 
Tages hat er aber die Wohnung zu räumen. Ist der letzte Tag innerhalb der 
Vertragsdauer ein Sonntag oder ein staatlich allgemein anerkannter Feiertag, so hat 
der Mieter auch noch Anspruch, diesen Sonntag oder Festtag in der Wohnung 
zu verbleiben, und ist erst im Laufe des folgenden Tages zu räumen verpflichtet 
(§ 193 des B. G. Bs.). Um in diesen Hinsichten Unzuträglichkeiten zu vermeiden, 
bestimmen in manchen großen Städten die Polizeibehörden — ebenfalls aus öffent- 
lich-rechtlichen Gesichtspunkten — einen Endtermin, bis zu welchem an den Umzugs- 
quartalen die Umzüge bewerkstelligt sein müssen. Räumt der Mieter innerhalb der 
ihm nach dem bürgerlichen Rechte vorgeschriebenen Zeit die Wohnung nicht, so kann 
der Vermieter allerdings noch nicht wider den Willen des Mieters dessen Räumlich- 
keiten betreten. Vielmehr hat der Vermieter die Hilfe des Gerichts anzurufen, um 
zu seinem Rechte zu kommen. Dringt der Vermieter, so lange der Mieter noch 
die Wohnung — selbst ohne Recht — inne hat, in dieselbe ein oder entfernt er 
sich auf die Aufforderung des Mieters nicht, so betritt er eine fremde Wohnung. 
An und für sich verwirklicht damit der Vermieter den Tatbestand des Hausfriedens- 
bruchs. So lange gegen den Mieter nicht ein gerichtliches auf Räumung lautendes 
Urteil vorliegt, wird der Mieter vorläufig als zum Strafantrage Berechtigter im 
Sinne von § 123 des Str.G. Bs. angesehen. Andererseits ist der Vermieter, zumal 
wenn er ein gewöhnlicher Mann ist, oft juristisch nicht so unterrichtet, daß er sich 
der Widerrechtlichkeit seines Eindringens bewußt wäre. Es kommen in der Praxis 
auch noch andere Gründe vor, welche die Strafbarkeit des Vermieters ausschließen 
können. Bringt der vom Vermieter verübte Hausfriedensbruch eine Störung der Ruhe 
oder Ordnung mit sich, so hat der Polizeibcamte unbedingt einzuschreiten und die 
Parteien zur Aufrechterhaltung der Ordnung zu trennen, was meist mit der Ent- 
fernung des eingedrungenen Vermieters zusammenfallen wird. Im übrigen hat 
der Polizeibeamte Anzeigen mit Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs seiten des Mieters 
entgegenzunehmen und den Vermieter darauf hinzuweisen, daß er sich des Haus- 
friedensbruchs schuldig mache, falls er nicht ein besonderes Recht zum Betreten der 
Wohnung vor Gericht werde nachweisen können. 
Nötigung. 3 240 Str. G. B. 
Nach den Grundsätzen unseres bürgerlichen Rechtes und Prozesses ist der 
Vermieter auch nicht berechtigt, den Mieter mit Gewalt oder durch Bedrohung mit 
einem Verbrechen oder Vergehen, z. B. mit Körperverletzung oder Sachbeschädigung, 
aus der Wohnung zu entsetzen. Er hat vielmehr zu diesem Erfolge auf grund 
vollstreckbaren gerichtlichen Urteils die Hilfe des Gerichtsvollziehers anzugehen. Wer 
den Mieter z. B. durch Ausheben von Fenstern und Türen zwingt, die dadurch
	        
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