Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Ueberwachung von Versammlungen. 481 
Vor allem sind es natürlich die Aufforderungen und Anreizungen (man mache 
sich auch den Unterschied klar zwischen Aufforderung und Anreizung, welche letztere 
gegenüber der unmittelbaren Aufforderung nur ein unbestimmtes Anstacheln und 
Geneigtmachen bedeutet) zu strafbaren Handlungen, welche die Auflösung der Ver- 
sammlung nach sich zu ziehen haben. Damit ergibt sich aber für den überwachenden 
Beamten die große Aufgabe, das Gebiet der einschlagenden strafbaren Handlungen 
zu beherrschen. Hierher gehören die Abschnitte des Strafgesetztuchs Hochverrat 
und Landesverrat (8§8 80 ff.); Beleidigung des Landesherrn (88§ 95 ff.; 
feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten (88 102 ff.); 
Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Ausübung staats- 
bürgerlicher Rechte (88 105 ff.); Widerstand gegen die Staats- 
gewalt (§8 110 ff.) und Verbrechen und Vergehen wider die öffent- 
liche Ordnung (88§ 123 ff.). Ebensogut kann aber zur Begehung von Mein- 
eid, zu Gotteslästerung usw. (8 166) angereizt oder solche verübt werden und 
dergleichen. 
Aus dieser Zusammenstellung wird man ersehen, daß es gerade die schwierigsten 
Tatbestände des Strafgesetzbuchs sind, welche bei der Ueberwachung von politischen 
Versammlungen in Betracht kommen. Und auch ein Strafgesetzbuch bei sich zu 
führen, um sich in ihm über den einschlagenden Paragraphen zu instruieren, würde 
den Polizeibeamten um deswillen nichts fördern, weil er im gegebenen Falle gar 
keine Zeit hätte, so umständlich zu verfahren; denn der einschlagenden Verletzung 
des Vereinsgesetzes hat die Auflösung möglichst auf dem Fuße zu folgen. Der 
überwachende Beamte hat also gerade in diesen schwierigen Gesetzestatbeständen, zu 
welchen übrigens noch Strafbestimmungen aus der Gewerbeordnung, dem Preßgesetze 
und Landesgesetzen treten können, auf dem laufenden zu sein. Es ist das eine 
Aufgabe, welche nur durch besondere Schulung und Uebung erlangt und erhalten 
werden kann. 
Erfordernis allgemeiner Bildung. 
Mit solcher Gesetzeskenntnis ist es aber nicht abgetan. Der üÜberwachende 
Beamte bedarf noch weiter einer universelleren Bildung, um dem Vortrag des Redners 
folgen und seinen Inhalt richtig verstehen zu können. Es sind bekanntlich nicht die 
ungewandtesten und unbegabtesten Redner, welche in öffentlichen Versammlungen 
auftreten. Im Gegenteil, sie verfügen vielfach durch die Vorarbeiten für ihr Thema 
über einen großen Schatz von Kenntnissen, welche dem Polizeibeamten vielleicht völlig 
fern liegen. Sie haben gute Kenntnisse in der Geschichte des In= und Auslandes, 
und sie haben die innere und äußere Politik, die Lehren der Nationalökonomie im 
Kopfe Alles dies spielen sie dann, oft im glänzenden Redefluß, derart aus, daß es 
nicht leicht ist, zu folgen. Wenn der Ueberwachende von dem allen nicht selbst 
schon etwas weiß, wird er dem Redner nicht folgen und am allerwenigsten beurteilen 
können, ob in seiner Rede eine Aufhetzung oder Aureizung zu strafbaren Hand- 
lungen, die nicht immer unverhohlen, sondern oft versteckt geäußert werden wird, 
zu finden ist.
	        
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