Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

484 II. Der exekutive Polizeibeamte. 
verleiten, ist selbstverständlich. Voreingenommene Handhabung des Vereins= und 
Versammlungsrechts hat der Sozialdemokratie, wie nunmehr nach dem Verlauf der 
letzten 10 Jahre endgültig feststeht, nicht geschadet, sondern hat sie teilweise mit 
zu der Macht gehoben, welche sie besitzt. 
Auflösung der Versammlung. 
Ist aber der Beamte auf grund seiner Wahrnehmungen nach bestem Wissen 
davon überzeugt, daß ein gesetzlicher Grund zur Auflösung der Versammlung gegeben 
und daher sein Einschreiten geboten sei, so hat er auch seine dahingehende Ent- 
schließung mit Bestimmtheit, Energie und in einer seiner Behörde würdigen Weise 
durchzuführen. Das Auflösungsgebot ist alsbald, unter sofortiger Unterbrechung des 
Redners, vom Beamten, der sich vom Sitze erhebt, mit lauter Stimme (ausdrücklich 
Sachsen, § 9) auszusprechen und dann der Grund der Auflösung, am besten auch 
unter Bezugnahme auf das Vereinsgesetz, anzugeben. Den Grund der Auflösung nicht 
mit anzugeben, kann nicht empfohlen werden, weil hierdurch bei vielen, die dem 
Redner nicht genau gefolgt sind, zwecklos Unwillen erregt würde. Im Anschlusse an 
das Auflösungsgebot wird zweckmäßig auf die gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen, 
wonach die Versammelten verpflichtet sind, sofort das Versammlungslokal zu ver- 
lassen. Danach hat der überwachende Beamte je nach seiner Anweisung entweder 
das Versammlungslokal zu verlassen (ausdrücklich Sachsen, § 9) oder in demselben 
abzuwarten, wie sich die Räumung des Lokals vollzieht. Trägt der überwachende 
Beamte nicht Uniform, so geht die Ueberwachung der Räumung meist an die am 
Eingange des Versammlungsortes in ausreichender Zahl zu postierenden oder er- 
forderlichenfalls durch telephonischen Anruf zu verstärkenden uniformierten Exekutiv= 
beamten über, deren oberstem der überwachende politische Beamte Mitteilung von der 
erklärten Auflösung zu machen hat. Manchmal behält der überwachende politische 
Beamte auch die Aufsicht über die Räumung. 
Den Versammelten ist die erforderliche Zeit zu lassen, sich zu entfernen. 
Die alte Regel, zu zeitiges, schnelles und heftiges Dreinfahren kann alles verderben. 
bewährt sich auch hier. Bemerkt man, daß die Menge oder einzelne sich absichtlich 
Zeit nehmen, so sind sie durch Worte zu schnellem Weggehen aufzufordern. An- 
fassen oder Schieben ist vorerst zu meiden. Man bedenke, die Versammelten sind 
natürlich mehr oder minder durch die Auflösung gereizt. Greift man in die aus 
dem Lokale strömende Menge unvorsichtig ein, so erfolgt aus ihr wohl ein ver- 
hängnisvoller Gegenstoß. Es genügt ja, wenn man sieht, daß die Versammelten, 
wenn auch nicht eilenden Fußes, sich entfernen. Selbstverständlich ist auch ein ver- 
kehrsstörendes oder die Ordnung und Ruhe gefährdendes Aufstellen oder Verweilen 
der Menge am Eingange des Versammlungsortes oder in dessen Nähe nicht zu 
dulden. Verläßt die Menge, trotz wiederholter vernehmlicher Aufforderungen, den 
Versammlungsort nicht, so bemächtige man sich zunächst derer, bezw. sielle deren 
Personalien fest, welche nicht weichen wollen oder andere zum Verweilen verleiten 
oder auffordern. Dieses Vorgehen wird gewöhnlich genügen, um die Saalentleerung
	        
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