Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

490 II. Der exekutive Polizeibeamte. 
zuzeigen. Eine Unterlassung kann sofortige Zurücknahme der Vergünstigung zur 
Folge haben. Eine Ueberwachung des Verurteilten während der Frist findet nicht 
statt. Nach Ablauf der Bewährungsfrist, welche vom Tage der sie genehmigenden 
Verordnung ab zu berechnen ist, hat die Strafvollstreckungsbehörde, wenn sich bis 
dahin ein Anlaß zur Rücknahme des Aufschubs nicht ergeben hat, zu erörtern, ob 
der Verurteilte inzwischen eine neue Straftat begangen oder sich sonst schlecht geführt 
hat. Es erfolgt Nachfrage bei allen Polizeibehörden, an deren 
Sitze der Verurteilte in der Zwischenzeit gewohnt hat, sowie bei der 
Strafregisterbehörde seines Geburtsortes, bei Schulpflichtigen überdies bei der 
Schulleitung. Danach wird anderweiter Bericht erstattet. Die Justizver- 
waltung verfügt bei weiterer Bestrafung oder sonstiger schlechter Führung ent- 
weder den Widerruf der Bewährungsfrist und die Vollstreckung der Strafe 
oder bewilligt auch eine weitere Bewährungsfrist. Ist die Bewährungsfrist da- 
gegen von dem Verurteilten bestanden worden, so hat er Aussicht auf gnaden- 
weisen Erlaß der Strafe. 
Polizeiliche Erörterungen. 
Im Sinne der vorstehenden Ausführungen hat also der Exekutivbeamte seine 
Erörterungen über den Charakter, Leumund und die persönlichen Verhältnisse des 
Verurteilten zu führen. Es kommt hauptsächlich darauf an, zu erfahren, 
wie der Verurteilte sich, von seinem vorliegenden Straffalle ganz 
abgesehen, im übrigen geführt hat. Denn der Straffall ist in den Akten 
crörtert, vom sonstigen Leben des Verurteilten weiß man aber meist nichts. Er- 
kundigungen sind in vorsichtiger Weise, sodaß der Verurteilte nicht etwa seine 
Arbeit verliert, bei Hausbewohnern, Nachbarn, früheren Arbeitsgebern, eventuell 
auch, wenn das ohne Schädigung des Verurteilten, der hierüber zu befragen sein 
wird, geschehen kann, bei dem gegenwärtigen Arbeitgeber, bei Jugendlichen in der 
Schule, beim Geistlichen und bei den Eltern einzuziehen. Bei Jugendlichen ist zu 
ermitteln, ob die Beaufsichtigung durch die Eltern, den Vormund oder Arbeitgeber 
genügend ist und ob deren eigener Charakter und Leumund Gewähr für sitt- 
liche Bewahrung des Verurteilten bietet. Hervorstechende gute und schlechte 
Eigenschaften und Handlungen des Verurteilten können besonders erwähnt werden 
Von Bedeutung sind besonders mit Vorkommnisse aus der Zeit nach der 
Verurteilung. 
Nach dem Ergebnisse der Erörterungen hat der Beamte nach bester sittlicher 
Ueberzeugung sich ein Urteil darüber zu bilden, wie er die ihm vorgelegten Fragen 
nach den tatsächlichen Voraussetzungen für oder gegen Bewilligung einer 
Bewährungsfrist zu beantworten habe.
	        
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