Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

Die Beleidigung. 491 
10. Die Beleidigung. 
Polizeiliches Interesse. 
Wenn auch nach §§ 414, 416, 417 der Strafprozeßordnung die Beleidigungen 
seiten des Berechtigten im Wege der Privatklage zu verfolgen sind und die 
Staatsanwaltschaft nur in solchen Fällen die öffentliche Klage erhebt, wenn 
nach ihrem eigenen, keiner gerichtlichen Nachprüfung unterstehenden Ermessen an 
der Strafverfolgung ein öffentliches Interesse besteht, also wenn z. B. ein Polizei- 
beamter im Dienst oder in bezug auf seinen Dienst (§ 196 Str. G. B.) beleidigt 
worden ist, so hat es der Exekutivbeamte doch so häufig mit Beleidigungen zu tun, 
sei es, er wird selbst, sei es, es werden andere Personen beleidigt, daß ihm Rechts- 
kenntnisse auf diesem Gebiete nicht entbehrlich sind. 
Der polizeiliche Exekutivbeamte muß einmal beurteilen können, ob eine ihm 
selbst geltende Aeußerung oder Handlung eines Dritten sich als Beleidigung darstellt, 
und ferner, inwieweit anderen geltende Aeußerungen oder Handlungen als Beleidigung 
aufgefaßt werden können. Dabei ist das rechtliche Gebiet der Beleidigung ein um- 
fangreiches und dem Laien nicht leicht verständliches. Die Redaktion der Beleidigungs- 
paragraphen in unserem Strafgesetzbuche hat diese Schwierigkeiten auch nicht verein- 
facht, sondern eher vergrößert. Die Fragen: „Ist das nicht eine Beleidigung?“ 
oder „Das soll eine Beleidigung sein?“ sind im Volke alltägliche. 
Daß der Polizeibeamte niemandem zur Verübung einer Beleidigung gegen 
seine Person Anlaß geben oder ihn gar dazu anreizen, daß er ihm zugefügte Be- 
leidigungen in keinem Falle (außer bei Tätlichkeiten im Falle der Notwehr) erwidern 
soll, wurde schon in den „Allgemeinen Verhaltungsvorschriften“ gesagt. 
Ueber eine ihm in Ausübung seines Berufs oder in Beziehung auf denuselben zu- 
gefügte Beleidigung hat der Polizeibeamte schriftliche Anzeige zu erstatten und sie 
dem Vorgesetzten zur Entschließung wegen Stellung von Strafantrag vorzulegen 
(§ 196 Str. G. B.). Wird der Polizeibeamte in seinem Privatleben beleidigt, so 
wird vor Erhebung von Privatklage schriftliche oder mündliche Anzeige an den 
Vorgesetzten zweckmäßig sein. Auch die Privatbeleidigung kann (s. o.) in das Amt- 
liche hineinspielen; der Vorgesetzte hat Interesse, auch die gegen seine Untergebenen 
verübten Privatbeleidigungen kennen zu lernen. 
Will ein Dritter eine Anzeige wegen Beleidigung bei dem Polizeibeamten 
anbringen, so hat dieser ihn in der Regel auf den Privatklageweg zu verweisen, 
d. h. dahin zu verständigen, daß er beim Amtsgerichte seine Klage anzubringen 
habe, da Privatbeleidigungen nicht von der Staatsanwaltschaft verfolgt zu werden 
pflegen. Verlangt der Anzeigeerstatter trotz Belehrung öffentliche Verfolgung 
der Beleidigung, so hat ihn der Polizeibeamte an die Staatsanwaltschaft zu 
verweisen. Ist sich der Polizeibeamte zweifelhaft, ob die Privatbeleidigung wegen 
ihrer besonderen Art oder nach den besonderen Umständen nicht doch Aussicht auf 
Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft habe, so mag er sich bei seinem nächsten 
Vorgesetzten Instruktionen einholen und darnach die Anzeige und den Strafantrag 
entgegennehmen oder ablehnen. Wenn ein Anzeigeerstatter neben einer andern
	        
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