Full text: Handbuch für den exekutiven Polizei- und Kriminalbeamten.Zweiter Band. 1905. (2)

494 II. Der exekutive Polizeibeamte. 
Drei Formen der Beleidigung. 
Das Reichsstrafgesetzbuch stellt drei Formen der Beleidigung auf: die einfache 
Beleidigung (§ 185), die üble oder ehrenrührige Nachrede (§ 186) und die ver- 
leumderische Beleidigung (§ 187). Hierzu tritt noch das verwandte Delikt in 
§ 189: die Beschimpfung des Andenkens eines Verstorbenen. 
Die einfache Beleidigung. 89 185 Str. G. B. 
Der § 185 sagt nur, daß Beleidigung bestraft wird, und führt die Straf- 
androhungen auf. Der Beleidigung macht sich schuldig, wer gegen 
die Ehre eines anderen, gegen dessen allgemeine menschliche oder 
allgemeine oder besondere bürgerliche Ehre eine vorsätzliche und 
rechtswidrige Kundgebungrichtet. 
Die Kundgebung muß sich gegen die Ehre richten. Welcher Art 
Kundgebungen diese Eigenschaft haben, ergeben die Anschauungen und Gebräuche 
sowohl des ganzen Volkes als der besonderen Gesellschaftsklassen, welchen die Par- 
teien angehören, das gegenseitige Verhältnis zwischen diesen und die sonstigen tat- 
sächlichen Umstände. Verletzende Aeußerungen über den Gewerbebetrieb eines anderen 
sind nur dann beleidigend, wenn sie zugleich sich gegen dessen Ehre richten; zum 
Beispiel, ein Kaufmann führe schlechte Ware. Auch die Bezeichnung einer schlechten 
Ware mit „Schundware“ und eines schlechten Bieres mit „Mistbrühe“ sind nicht 
als unbedingt beleidigend befunden worden. Der Vorwurf, ein Kaufmann habe 
Konkurs gemacht, er habe „zugemacht“, er „sei alle geworden“, beleidigt nur, wenn 
zum Ausdruck gebracht oder die Auslegung nahegelegt wird, der Kaufmann habe 
den Konkurs moralisch verschuldet. Dem Ausdrucke, ein Kaufmann habe Pleite 
gemacht, haftet nach unserer Ausdrucksweise der Begriff der Geringschätzung an. 
Ebenso sind die Vorwürfe, jemand habe den Offenbarungseid geleistet oder sei er- 
folglos ausgepfändet worden, zu beurteilen. Der Beleidiger muß das Be- 
wußtsein haben oder wenigstens die Möglichkeit erkennen, daß 
seine Kundgebung gegen die Ehre sich richtet. Wer andere mit belei- 
digenden Provinzialismen belegt, wird meist auch deren Charakter und Bedeutung 
nicht verkennen. Die Behauptung, jemand leide an einer ekelhaften Krankheit, die 
er sich durch Unreinlichkeit oder unzüchtigen Lebenswandel zugezogen habe, beleidigt. 
Die Kundgebung muß sich gegen die Ehre eines anderen 
richten, eines lebenden Menschen oder eines der genannten fingierten Rech:s- 
subjekte. Der andere, dessen Ehre getroffen wird, braucht nicht ausdrücklich genannt 
zu sein; es genügt, wenn er für dritte Personen erkennbar ist. Die Ausrede: „Ich 
habe niemand genannt“, ist also in der Regel ohne Erheblichkeit. Allerdings muß 
der Beleidiger haben ermessen können, daß seine Kundgebung auf den Ungenannten 
bezogen werden könne. Wer beispielsweise in einem Spottgedichte eine bestimmte 
ungenannte Person hätte treffen wollen, deren in dem Gedichte gegebene Be- 
schreibung, wie der Verfasser weiß, nach der Meinung größerer oder engerer Kreise 
noch auf eine andere Person bezogen werden kann, macht sich auch der Beleidigung
	        
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