Die Beleidigung. 497
sein von der Rechtswidrigkeit einer gegen die Ehre eines anderen
gerichteten Kundgebung ist nicht gleichbedeutend mit der Absicht,
zu beleidigen. Eine solche Absicht wird zur Strafbarkeit der
Beleidigung nur in bestimmten Ausnahmefällen, in der Regel aber nicht
gefordert. Die Ausrede: „Ich habe ja gar nicht beleidigen wollen“, ist also
nicht immer stichhaltig.
Als Mittel der Kundgebung kann alles dienen, womit der Mensch
seinem Gedanken und Willen Ausdruck zu verleihen vermag: Rede, Gesang, Schrift,
mechanische Vervielfältigung, bildliche Darstellung, Musik, Zeichen, Gebärden, Hand-
lungen, Unterlassungen, Tätlichkeiten.
Haupterscheinungsformen der einfachen Beleidigung im Sinne von. 8 185
Str. G. B.
Die Haupterscheinungsformen der Beleidigung im Sinne
von § 185 sind folgende.
1. Der Täter erklärt von dem anderen positiv, daß er ihn nicht achte oder
ihn verachte. Die Erklärung kann auch in bedingter Form mit Rücksicht auf eine
bevorstehende Handlung eines anderen erfolgen, wenn deren Vornahme in Aussicht
steht; zum Beispiel die Erklärung: „Wer eine gewisse Zeitung liest, hat keine Ehre
im Leibe.“
2. Der Täter behandelt einen anderen im persönlichen Verkehre und Umgange
so oder führt sich in dessen Gegenwart derart auf, daß diese Behandlung oder Auf-
führung anzeigt, man halte den anderen für einen Unwürdigen. In der Unterlassung
gebräuchlicher Höflichkeitsformen im schriftlichen Verkehre kann eine Be-
leidigung gefunden werden, wenn der Schreibende durch die Unterlassung bewußt
einen unberechtigten Ausdruck der Mißachtung erkennbar macht. Aehnlich verhält es
sich mit der Unterlassung sonstiger gebräuchlicher Höflichkeiten. Die Verweigerung
von Ehrenbezeigungen, insbesondere des üblichen Grußes, enthält in der
Regel eine Beleidigung nur dessen, dem man durch Subordination verpflichtet ist.
Wenn ein Mann eine fremde Frauensperson ohne deren Verschulden in einer Situation
beobachtete oder gar photographierte, in welcher sie sich ihm aus Rücksichten des
geschlechtlichen Anstandes nicht zeigen würde, oder wenn ein Mann in Gegenwart
einer weiblichen Person, die ihm hierzu keinerlei Anlaß gibt, eine den geschlechtlichen
Anstand verletzende Handlung vornimmt oder eine fremde Frauensperson wider deren
kundgegebenen Willen auf offener Straße zum Zwecke erotischer Annäherung anspricht,
so beleidigt er. Im Abschneiden des Bartes wider den Willen des Bärtigen, im
Abschneiden des Zopfes eines Mädchens ohne die Absicht, sich das Haar anzueignen,
ist Beleidigung gefunden worden. Wer die Texte oder nur die Melodien: „Ueb'
immer Treu und Redlichkeit“ oder „Du bist verrückt mein Kind“ (Fatinitzamarsch)
in der erkennbaren Absicht, damit eine Unredlichkeit oder Torheit des anderen anzu-
deuten, diesem vorsänge, auf einem Justrumente vorspielte oder auch nur vorpfiffe,
beleidigte; ebenso wer beim Auszuge eines unangenehmen Hausbewohners den
Choral „Nun danket alle Gott“ spielen oder singen oder eine Illumination des
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